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julci

Short Box Spread als Krediterstatz unter der neuen Steuergesetzgebung

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julci

Moin,

 

ich bin neu in dem Forum (bislang nur stiller Mitleser), jetzt habe ich aber ein Thema das bisher hier sehr wenig besprochen wurde und zu dem ich mich gerne austauschen würde. Auch woanders findet man im deutschsprachigen Raum dazu fast nichts und damit keine Informationen zur steuerlichen Situation in Deutschland. 

Aufgrund der weggefallenen Verlustverrechnungsbeschränkung habe ich mich in den letzten Tagen mit der Möglichkeit beschäftigt als Alternative zu einem Wertpapierkredit Box Spreads zu verkaufen. Zuvor war das offensichtlich für Privatpersonen nicht sinnvoll möglich.

Wer nicht weiß, was das ist: Man eröffnet quasi jeweils eine Long und eine Stillhalterposition auf Put- und Call-Optionen des selben Basiswerts. Dabei wählt man die Strike Preise der 4 Optionen so, dass sich die Positionen so ausgleichen, dass der Kursverlauf des Basiswerts egal ist und man bei Eröffnung der Position in Summe einen Betrag erhält, bei Glattstellung oder Barausgleich ist dann der Betrag plus einem kleinen weiteren Betrag zu zahlen. De facto erhält man so einen Kredit. Man verwendet nur europäische Optionen (zb auf den SPX) um eine vorzeitige Ausübung auszuschließen. Handwerklich ist es recht kompliziert, es gibt aber einige Anleitungen und in den USA ist es offenbar recht verbreitet, zb hier: https://earlyretirementnow.com/2021/12/09/low-cost-leverage-box-spread/

Hier kann man sich die genauen Orderdaten berechnen lassen: https://www.boxtrades.com/

 

Denkbar wäre ein Einsatz des Trades zb als Ersatz für einen Privatkredit (wenn man lieber sein Depot beleihen möchte als Anlagen zu verkaufen und damit Steuern zu realisieren) oder um das Depot zu hebeln. 

 

Auf den ersten Blick wirkt das Ganze recht attraktiv:
- wenn man es richtig macht geringerer impliziten Zinssatz (=das man als Differenz zwischen Prämienerhalt und Prämienzahlung am Ende draufzahlt) als zB Margin bei Interactive Brokers, nur etwas höher als die Treasury rate   --> Vorteil gegenüber Wertpapierkredit und evtl. Privatkredit

- Man kann als Europäer das geliehene Geld abheben und für andere Zwecke nutzen. Das geht beim Wertpapierkredit bei IBKR nicht (wohl aufgrund einer speziell interpretierten EU-Regulierung, andere Banken interpretieren das anders, aber das ist ein anderes Thema) --> Vorteil gegenüber Wertpapierkredit

- keine Prüfung der persönlichen Bonität (Schufa, Einkommen etc.) --> Vorteil gegenüber Privatkredit

- Aus meiner Sicht sollten die impliziten Zinsen steuerlich mit andere Wertpapiergewinne verrechnet und damit effektiv abgesetzt werden können (KESt+Soli). Reduziert den Zinssatz um mehr als 25%. Das sollte aus meiner Sicht der Fall sein, da man ja tatsächlich Optionsverluste macht und keinen Zins bezahlt. Sieht dieses Thema jemand anders? Ist es ein Problem, dass der Gewinn des Trades schon von Anfang an absichtlich negativ ist (keine Gewinnerzielungsabsicht mit dem Gesamttrade, wobei die einzelnen Optionen natürlich Gewinn machen können)? Das wäre schon ziemlich krass, wo kann man sonst Zinsen für eine private Ausgabe absetzen. 

- Gleiche Margin Anforderungen wie beim regulären Wertpapierkredit

 

Gibt auch Nachteile: 

- Komplizierte Bauweise des Trades

- Hohe Verluste möglich wenn man was falsch macht da hohes Exposure der einzelnen Optionen

- Geringere Flexibilität als beim Wertpapierkredit und recht unflexible Stückelungen

- Währungsrisiko (aktuell de facto nur mit Basiswerten und Optionen aus den USA machbar)

- Zinssatz hängt vom US-Zins, nicht vom EU Zins ab

 

Aus meiner Sicht sind die genannten Nachteile kein Dealbreaker und man kann das mit genug Planung handhaben. Jedoch ist mir noch ein großer Haken eingefallen: 

Wenn man so einen Trade über einen Jahreswechsel hält zerschießt die Steuer die Rechnung. Denn die Prämien der beiden Stillhaltergeschäfte (sehr hohe Beträge) sind sofort im ersten Jahr mit der Steuererklärung zu versteuern (getrennte Besteuerung von Eröfnfungstrade und Glattstellung, wurde mit dem aktuellen Jahressteuergesetz nochmal im Gesetz klargestellt). Die gezahlten Prämien für die Long-Positionen sind jedoch nicht gegenrechenbar, da diese erst Steuerwirksam bei Glattstellung/Barausgleich werden. Zwar würde man dann im Glattstellungsjahr das Geld zurück bekommen da dann die Glattstellungsprämie absetzbar wäre, das kommt aber einem unverzinsten Kredit an den Staat gleich was die ganze Idee konterkarieren würde. 

Meinem Verständnis nach würde ein mehrjähriger Kredit nur so gehen: Die Laufzeit der Optionen wird auf Ende Dezember des aktuellen Jahres gesetzt. Dann, nach dem Barausgleich hat man automatisch den Wertpapierkredit in Anspruch genommen. Das lässt man so bis Anfang Januar, dann kann man wieder einen Short Box Trade bis Ende Dezember machen. So hätte man die meiste Zeit den guten, absetzbaren Zinssatz und nur kurz den Wertpapierkredit (hat ja beides die gleiche Margin Anforderung, zumindest bei IBKR mit Portfolio Margin). Auch könnte man so das Geld initial vom Verrechnungskonto abheben da man mit dem Box Spread startet. 

 

Ich freue mich über einen Austausch zu diesem Thema, wer hat den Trade schonmal ausprobiert und fallen euch weitere Fallstricke ein die ich noch nicht erwähnt habe? Meint ihr das funktioniert so steuerlich?

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Saek
  Am 2.12.2024 um 09:07 von julci:

Zuvor war das offensichtlich für Privatpersonen nicht sinnvoll möglich.

Doch, war es schon, solange die Verluste nur aus Stillhaltergeschäften entstehen konnten (d.h., fast wertlose long legs)

  Am 2.12.2024 um 09:07 von julci:

Währungsrisiko (aktuell de facto nur mit Basiswerten und Optionen aus den USA machbar)

- Zinssatz hängt vom US-Zins, nicht vom EU Zins ab

Geht natürlich genauso mit anderen Optionen. Ich nutze OESX (IB ESTX50) an der Eurex, in Euro.

 

Die Änderung durch das neue Gesetz ist nach meinem Verständnis, dass man die Optionen auslaufen lassen kann und die Stillhaltergeschäfte nicht mehr per Trade schließen muss. Im gleichen Jahr öffnen/schließen sollte man weiterhin.

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julci

Danke für die Antwort, das ist nachvollziehbar mit der Vorgehensweise für das alte Steuerrecht. Zum Glück jetzt ja einfacher. 

Es wäre jetzt sinnvoller um Transaktionskosten zu sparen auslaufen zu lassen statt glattzustellen oder hat das irgendwelche Nachteile?

Sehr interessant, dass du das an der Eurex machst, ich hätte vermutet dass es da zu illiquide ist. Wäre für einen europäischen Anleger natürlich viel besser. 

Welche Zinssätze erzielst du da regelmäßig (im Vergleich zu zB Staatsanleihen)? Wie kalkulierst du das Limit? 

 

 

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Saek

Wurde z.b. hier diskutiert.

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AnacottSteel

Hallo zusammen,

 

ich bin auch neu im Forum und freue mich sehr über diesen Thread, da es online nur wenige Informationen zu den steuerlichen Feinheiten von Boxspreads im deutschen Steuersystem gibt. Durch die Abschaffung der Verlustverrechnungsgrenze im neuen Jahressteuergesetz wird die Nutzung von Fremdkapital via Boxspreads für mich attraktiv. Nachfolgend möchte ich einige Informationen sowie offene Fragen zu verschiedenen Punkten teilen:

 

Zinsen

Bisher nutze ich den Marginkredit bei IBKR mit einem Zinssatz von über 4 %. Über den Paper-Trading-Account von IBKR habe ich in den letzten Wochen testweise Boxspreads (ESTX50 Index, european style) mit einer Laufzeit von etwa 12 Monaten gehandelt und dabei Ausführungen mit einem implizierten Zinssatz von ca. 2,5 % erhalten. Ein Boxspread auf den ESTX50 in Euro erscheint mir dabei einfacher als auf den SPX in USD in Kombination mit Währungsgeschäften. Allerdings ist der Bid-Ask-Spread beim ESTX50 teilweise hoch, was nicht jede Kombination von Strike-Preisen günstig ausführbar macht.

 

IBKR € Abbuchung

Nach meinem Verständnis ermöglicht ein Boxspread das Abheben von dann positivem Euro-Guthaben bei IBKR (kann dies jemand bestätigen?), während Fremdkapital über einen Marginkredit bei europäischen IBKR-Konten keine Abhebungen zulässt.

 

Steuerliche Verrechenbarkeit

Wie bereits angesprochen, sind die Zinsen bei Boxspreads nicht nur günstiger als bei einem Marginkredit, sondern steuerlich nun auch unbegrenzt mit Gewinnen (z. B. aus Termingeschäften, Stillhaltegeschäften und Aktien) verrechenbar.

 

Closing von Boxspreads

Über den Paper-Trading-Account von IBKR habe ich einige Boxspreads eröffnet und auslaufen lassen. Dabei zeigte sich Folgendes:

  • Short Legs im Geld: Hier besteht keinerlei Risiko, da die Long Legs wertlos verfallen.
  • Long Legs ebenfalls im Geld: In diesem Fall wurde im Paper-Trading-Account alle Long Legs im Geld automatisch von IBKR ausgeführt, sodass nichts manuell anzustoßen war. Hat jemand hier bereits praktische Erfahrungen gesammelt und kann bestätigen, ob IBKR diese automatische Ausführung immer durchführt? Insgesamt scheint mir der Verfakk günstiger als ein Rückkauf vor dem Verfall aufgrund der Handelsgebühren und Bid-Ask Spreads.

Kalenderjahresgrenze

Die Änderung des § 20 EStG, Absatz 1 Nr. 11 ist ein wichtiger Punkt. Die Glattstellung eines Stillhaltegeschäfts wird jetzt nur noch zum Ausführungszeitpunkt als negative Einnahme gewertet, eine Verrechnung mit Vorjahren scheint nicht mehr möglich. Bisher konnte ich problemlos mit meinem Finanzamt die Glattstellung eines Stillhaltegeschäfts mit der Eröffnung (Verkauf der Option) aus dem Vorjahr verrechnen. Nach meinem Verständnis der neuen Regelung ist das nun nicht mehr zulässig. Daher plane auch ich, meinen ersten Boxspread erst zu Beginn von 2025 mit Ablauf im Dezember 2025 zu handeln. Kann jemand bestätigen, ob diese Interpretation korrekt ist?

 

Hier als Beispiel für zukünftige Mitleser:

  • Ein Boxspread über 100.000 € wird im Dezember 2024 eröffnet und läuft bis Ende Dezember 2025.
  • Die Short Legs (Stillhaltegeschäfte) bringen einen Zufluss von 98.000 € in 2024.
  • Im Dezember 2025 verfallen die Short Legs zu 100.000 €, was eine negative Einnahme in 2025 bedeutet.
  • Mit dem neuen Steuergesetz müsste man die Einnahmen (98.000 €) in 2024 versteuern, während die negative Einnahme (100.000 €) in 2025 unbeschränkt mit positiven Kapitalerträgen verrechenbar wäre. Dies führt jedoch erstmal zu einer Steuerzahlung von ca. 25.000 € für das Steuerjahr 2024.

Über Feedback und Erfahrungen zu den einzelnen Punkten würde ich mich sehr freuen.

 

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Saek
  Am 4.12.2024 um 16:20 von AnacottSteel:

Nach meinem Verständnis ermöglicht ein Boxspread das Abheben von dann positivem Euro-Guthaben bei IBKR (kann dies jemand bestätigen?),

Ja, das geht immer bei positiver Balance.

  Am 4.12.2024 um 16:20 von AnacottSteel:

Daher plane auch ich, meinen ersten Boxspread erst zu Beginn von 2025 mit Ablauf im Dezember 2025 zu handeln.

Mache ich zumindest so. Ist ja kein Problem, dann nutzt man halt wenige Wochen im Dezemver den Kredit.

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dorian_Gray
  Am 4.12.2024 um 16:20 von AnacottSteel:

Steuerliche Verrechenbarkeit

Wie bereits angesprochen, sind die Zinsen bei Boxspreads nicht nur günstiger als bei einem Marginkredit, sondern steuerlich nun auch unbegrenzt mit Gewinnen (z. B. aus Termingeschäften, Stillhaltegeschäften und Aktien) verrechenbar.

 

Ist inzwischen wirkliche eine Verrechenbarkeit mit Aktien und/oder ETFs gegeben? Mein Verständnis war bisher nur eine Verrechenbarkeit mit anderen Termingeschäften.

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chirlu

Es gibt nur zwei Töpfe: Aktienverluste und alles andere.

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comegetme
· bearbeitet von comegetme
  Am 4.12.2024 um 16:20 von AnacottSteel:

Hallo zusammen,

 

ich bin auch neu im Forum und freue mich sehr über diesen Thread, da es online nur wenige Informationen zu den steuerlichen Feinheiten von Boxspreads im deutschen Steuersystem gibt. Durch die Abschaffung der Verlustverrechnungsgrenze im neuen Jahressteuergesetz wird die Nutzung von Fremdkapital via Boxspreads für mich attraktiv. Nachfolgend möchte ich einige Informationen sowie offene Fragen zu verschiedenen Punkten teilen:

 

Zinsen

Bisher nutze ich den Marginkredit bei IBKR mit einem Zinssatz von über 4 %. Über den Paper-Trading-Account von IBKR habe ich in den letzten Wochen testweise Boxspreads (ESTX50 Index, european style) mit einer Laufzeit von etwa 12 Monaten gehandelt und dabei Ausführungen mit einem implizierten Zinssatz von ca. 2,5 % erhalten. Ein Boxspread auf den ESTX50 in Euro erscheint mir dabei einfacher als auf den SPX in USD in Kombination mit Währungsgeschäften. Allerdings ist der Bid-Ask-Spread beim ESTX50 teilweise hoch, was nicht jede Kombination von Strike-Preisen günstig ausführbar macht.

 

IBKR € Abbuchung

Nach meinem Verständnis ermöglicht ein Boxspread das Abheben von dann positivem Euro-Guthaben bei IBKR (kann dies jemand bestätigen?), während Fremdkapital über einen Marginkredit bei europäischen IBKR-Konten keine Abhebungen zulässt.

 

Steuerliche Verrechenbarkeit

Wie bereits angesprochen, sind die Zinsen bei Boxspreads nicht nur günstiger als bei einem Marginkredit, sondern steuerlich nun auch unbegrenzt mit Gewinnen (z. B. aus Termingeschäften, Stillhaltegeschäften und Aktien) verrechenbar.

 

Closing von Boxspreads

Über den Paper-Trading-Account von IBKR habe ich einige Boxspreads eröffnet und auslaufen lassen. Dabei zeigte sich Folgendes:

  • Short Legs im Geld: Hier besteht keinerlei Risiko, da die Long Legs wertlos verfallen.
  • Long Legs ebenfalls im Geld: In diesem Fall wurde im Paper-Trading-Account alle Long Legs im Geld automatisch von IBKR ausgeführt, sodass nichts manuell anzustoßen war. Hat jemand hier bereits praktische Erfahrungen gesammelt und kann bestätigen, ob IBKR diese automatische Ausführung immer durchführt? Insgesamt scheint mir der Verfakk günstiger als ein Rückkauf vor dem Verfall aufgrund der Handelsgebühren und Bid-Ask Spreads.

Kalenderjahresgrenze

Die Änderung des § 20 EStG, Absatz 1 Nr. 11 ist ein wichtiger Punkt. Die Glattstellung eines Stillhaltegeschäfts wird jetzt nur noch zum Ausführungszeitpunkt als negative Einnahme gewertet, eine Verrechnung mit Vorjahren scheint nicht mehr möglich. Bisher konnte ich problemlos mit meinem Finanzamt die Glattstellung eines Stillhaltegeschäfts mit der Eröffnung (Verkauf der Option) aus dem Vorjahr verrechnen. Nach meinem Verständnis der neuen Regelung ist das nun nicht mehr zulässig. Daher plane auch ich, meinen ersten Boxspread erst zu Beginn von 2025 mit Ablauf im Dezember 2025 zu handeln. Kann jemand bestätigen, ob diese Interpretation korrekt ist?

 

Hier als Beispiel für zukünftige Mitleser:

  • Ein Boxspread über 100.000 € wird im Dezember 2024 eröffnet und läuft bis Ende Dezember 2025.
  • Die Short Legs (Stillhaltegeschäfte) bringen einen Zufluss von 98.000 € in 2024.
  • Im Dezember 2025 verfallen die Short Legs zu 100.000 €, was eine negative Einnahme in 2025 bedeutet.
  • Mit dem neuen Steuergesetz müsste man die Einnahmen (98.000 €) in 2024 versteuern, während die negative Einnahme (100.000 €) in 2025 unbeschränkt mit positiven Kapitalerträgen verrechenbar wäre. Dies führt jedoch erstmal zu einer Steuerzahlung von ca. 25.000 € für das Steuerjahr 2024.

Über Feedback und Erfahrungen zu den einzelnen Punkten würde ich mich sehr freuen.

 

Periodenübergreifende Verlustverrechnung:

 

Deine Interpretation der Änderung des § 20 EStG, Absatz 1 Nr. 11 scheint richtig zu sein, ist aber m.E. nicht sehr sinnhaftig, da einem Zufluss von Cash bei Verkauf einer Option immer die aus der short option resultierende Obligation in gleicher Höhe gegenübersteht; der Zufluss ist also nie ein "Gewinn". Wer auch immer diese Änderung veranlaßt hat, hat "Cashflow" mit "Gewinn" verwechselt und vermutlich nicht viel Erfahrung mit Derivaten und/oder Buchhaltung gehabt. Sehr ärgerlich daß man nun box spreads und andere Optionen nicht einfach "auslaufen" lassen und übers Jahr kontinuierlich "rollen" kann. Je nach Strategie und Wahl der strike Preise kann der "Zufluss" aus einem leg eines box spreads ein Vielfaches eines "normalen" Jahresgehaltes betragen, auch wenn der Netto-Zufluß aus der Box gar nicht so hoch ist. Die Änderung des § 20 EStG, Absatz 1 Nr. 11 kann also sehr brisant sein, wenn man nicht aufpaßt.

 

Nichtsdestoweniger, Gesetz ist Gesetz. Im Urteil BFH, Urteil v. 2.8.2022, VIII R 27/21 urteilte der BFG allerdings u.a. mit dem "verfassungsrechtlichen Gebot der Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip" https://www.ey.com/de_de/technical/steuernachrichten/periodenuebergreifende-verrechnung-von-stillhalter-und-glattstellungsgeschaeft . "Es handle sich insoweit in Ausnahme zu § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG (sog. Abflussprinzip) um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Damit könne insbesondere nicht der verfassungsrechtlich bedenkliche Fall eintreten, dass Gewinne zu versteuern sind und die zugehörigen Aufwendungen aufgrund des Verrechnungsverbots des § 20 Abs. 6 EStG sich erst in weiteren VZ steuerlich auswirken können."

§ 20 Abs. 6 EStG hat nach wie vor Bestand: "Verluste aus Kapitalvermögen dürfen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d abgezogen werden. 2Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus Kapitalvermögen erzielt."

 

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210176/

 

Ich vermute daher daß die Änderung des § 20 EStG, Absatz 1 Nr. 11 verfassungswidrig sein könnte.

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janek.goetze@gma
· bearbeitet von janek.goetze@gma

Hallo in die Runde,

 

danke erstmal für die ganzen Informationen hier. Ich bin was mein Wissen um Optionen angeht noch am Anfang. Das Thema mit dem Box Spread Geschäft klingt irgendwie zu gut um wahr zu sein.

Lässt der Broker wirklich die Auszahlung des Geldeingangs aus dem Geschäft zu. Riskiert er dann nicht einen Zahlungsausfall bei Glattstellung.

 

Was hintert einen denn mit der Liquidität in Unternehmenanleihen mit AAA-Rating zu investieren. 

 

Außerdem frage ich mich, ob die steuerrechtliche Behandlung ein Update erfahren hat. Wenn der Kapitalzufluss voll versteuert werden muss, der Abfluss aber nur bis zu einer Verlustgrenze von 20k gegengerechnet werden kann, verliert das ganze natürlich an Attraktivität. Oder habe ich da etwas falsch verstanden.

 

Beste Grüße
Janek 

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flash slothmore
· bearbeitet von flash slothmore

Nun, dein NAV ändert sich durch den trade nicht. Die Optionsstrategie ist delta-neutral und kostet daher auch keine margin. Du bekommst cash und gehst damit eine Position in anfangs gleicher negativer Höhe ein. Abgesehen von der Eigenschaft als Termingeschäft ist das nichts anderes, als eine Aktie für $1000 leer zu verkaufen und dadurch $1000 mehr auf dem Konto zu haben. Das Risiko des Zahlungsausfalls liegt weiterhin beim Depotinhaber und wird durch die Margin-Anforderungen des Brokers gedeckt.

 

Du kannst dir die cash-position bei IBKR auszahlen lassen, solange die entsprechende Währung im Depot positiv ist. Man kann übrigens mehrere Depots haben und Positionen übertragen, selbst wenn man negativen cash in einem Depot hat, das hat hier mal jemand beschrieben. Darüber kann man sich auch einen Wertpapierkredit auszahlen lassen @julci.

 

Jedoch steigt durch solche Auszahlungen die leverage und damit die Gefahr eines margin-calls. Niemand hindert dich daran, mit dem cash Aktien, Festgeld, Anleihen, Porsche oder 100x gehebelte Crypto-Futures zu kaufen. Du musst nur bei expiry mindestens den "Zins" zahlen, falls du die Position rollst oder vorher einen neuen spread aufmachst. Es ist im Grunde ein endfälliger Kredit.

 

Bei Unternehmensanleihen würdest du den Risikoaufschlag gegenüber besicherten Verbindlichkeiten vereinnahmen, das ist ein ganz normales Differenzgeschäft.

 

Durch diese Strategie entstehen Optionsverluste, die du, anders als margin-zinsen, gegen Einnahmen im gleichen Verrechnungstopf stellen kannst. Die 20k Verlustverrechnungsgrenze ist zum Glück auch für Privatpersonen Geschichte, daher braucht man keine trading-GmbH mehr für solche trades.

 

IBKR bietet eine sehr faire margin-rate von 150bps über SOFR, bei anderen Brokern können das 400bps und mehr sein, da lohnt sich ein Kredit mit 25bps über SOFR dann schon extrem. Der wesentliche Vorteil und Grund wieso das "zu gut um wahr zu sein" ist, ist der Wegfall mehrerer Mittelsmänner. Es soll durchaus Immobilien geben, die so finanziert werden. Ich nutze das persönlich als Ersatz für margin-rates und Liquiditätspuffer. Mit entsprechend großem Depot ist man dann nicht mehr auf hohe Zinsen, Papierkram und schlechte Flexibilität bei unbesicherten Krediten angewiesen.

 

Boxspreads verfallen lassen ist meiner Erfahrung nach kein Problem @AnacottSteel, man sollte die expiry nur so timen, dass sie im gleichen Jahr verfallen da sich das FA sonst schonmal anstellt. Index Options sind cash-settled, da bekommt man keine Wertpapiere ein- oder ausgebucht.

 

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EUR-Boxspreads auf ESTX50 sind leider nicht so liquide wie SPX oder selbst SPXW, aber es lohnt sich ein paar Stunden/Tage auf den fill zu warten. Mehr als 30bps über €STR muss man auch dort nicht zahlen, mein "Rekord" waren bisher 7bps Aufschlag.

 

Das wesentliche Risiko ist, dass der Wert der als Besicherung genutzten Wertpapiere sinkt und man einen margin-call bekommt. Weiterhin hast du ein Zinsänderungsrisiko, sobald du den spread "verlängerst". Solange man european-style Options nutzt sind anderen Risiken eher theoretisch oder können vermieden werden. Seiten wie boxtrades oder syntheticfi helfen bei der korrekten Ordereingabe und zeigen offene "Angebote" im Orderbuch.


 

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