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dronzo

Mit Diagnose Persönlichkeitsstörung keine Chance auf Leistung aus einer BUV?

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dronzo

Folgender fiktiver Fall:

Person X (Beruf Busfahrer) schließt 2020 eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab und beantwortet die Gesundheitsfragen über psychische Beschwerden nach bestem Wissen und Gewissen mit "nein". 
2035 geht Person X wegen Verdacht auf Depression zum Psychiater und bekommt dort nicht nur die Diagnose "Depression", sondern auch die Diagnose "Persönlichkeitsstörung".

Eine Persönlichkeitsstörung tritt nicht plötzlich auf, sondern hat ihre Anfänge meist schon in der Kindheit (wird aber von den meisten Leuten fehlgedeutet als Schüchternheit, Faulheit etc.).
Durch die Diagnosen verliert Person X die Fahrerlaubnis (den Busführerschein) und ist damit ohne Zweifel zu 100% berufsunfähig, weshalb er nun die Leistung aus der BUV beantragt.

Kann die Versicherung nun die Leistung verweigern mit der Begründung, dass die Persönlichkeitsstörung ja schon seit der Kindheit bestanden haben muss und der Versicherungsnehmer daher eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung begangen hat? 

PS:
Würde mich über einen Austausch über diese Problematik freuen, vor allem da es öfter mal vorkommt, dass Menschen Diagnosen bekommen, die sie selbst nicht erwartet hätten.
Ich bitte nicht um Rechtsberatung oder dergleichen, es geht hier nur um einen theoretischen Diskurs mit auf diesem Gebiet erfahrenen Menschen.

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Nostradamus
vor 9 Minuten von dronzo:

Kann die Versicherung nun die Leistung verweigern mit der Begründung, dass die Persönlichkeitsstörung ja schon seit der Kindheit bestanden haben muss und der Versicherungsnehmer daher eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung begangen hat?

(Kein Profi hier): Wenn das so wäre, dann gäbe es wahrscheinlich noch so einige psychische Erkrankungen, die "ja schon seit der Kindheit bestanden haben müssten" und dieser Fall müsste wohl noch erweitert werden. Die Frage ist immer, was Ärzte diagnostiziert haben. Wenn ich als Kind eine Persönlichkeitsstörung hatte, die mir aber niemand diagnostiziert hat, dann hatte ich auch nichts, was ich beim Antrag hätte angeben können. Was hätte ich auch reinschreiben sollen; ich wusste dann ja gar nicht, dass ich eine Persönlichkeitsstörung hatte. Und dann gibt es auch noch die Verjährungsfrist für falsche Angaben von 10 Jahren nach Abschluss.

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dronzo

Danke erstmal für die Antwort Nostradamus!
 

vor einer Stunde von Nostradamus:

Die Frage ist immer, was Ärzte diagnostiziert haben. Wenn ich als Kind eine Persönlichkeitsstörung hatte, die mir aber niemand diagnostiziert hat, dann hatte ich auch nichts, was ich beim Antrag hätte angeben können.

Das klingt natürlich total logisch und sollte auch mit gesundem Menschenverstand so anzunehmen sein. Ich frage mich trotzdem, ob der Versicherer dem Versicherungsnehmer da einen Strick draus drehen kann (wenn es noch nicht verjährt ist).
Es wird ja meistens nicht nur nach Behandlungen/Diagnosen sondern auch nach Beschwerden gefragt. Und vielleicht hatte Person X auch tatsächlich Symptome, hat diese aber nicht korrekt als solche gedeutet, sondern nur als Schüchternheit/Ängstlichkeit oder ähnliches.

Daher stellt sich dann folgende Frage: Kann von dem Versicherungsnehmer verlangt werden, dass er Symptome einer Krankheit auch als solche hätte warnehmen müssen?
Ist natürlich schwer vorstellbar, dass einem Nicht-Mediziner so etwas zugetraut wird.

Deswegen wäre es interessant zu hören, ob hier jemand Beispiele aus der Praxis kennt, wo so etwas der Fall war.

(Wahrscheinlich passiert sowas in der Praxis eher nicht, sonst wären Foren und Medien ja voll von Berichten über Leistungsversagung bei bestimmten Erkrankungen)
 

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Nostradamus
vor 17 Minuten von dronzo:

Kann von dem Versicherungsnehmer verlangt werden, dass er Symptome einer Krankheit auch als solche hätte warnehmen müssen?

Das dürfte meiner Meinung nach sehr schwer vom Versicherer nachweisbar sein, wenn überhaupt keine ärztlichen Diagnosen vorliegen. Wie jemand etwas wahrnimmt, ist ja höchst subjektiv. Man kann andersrum gesehen auch irgendwelche Symptome wahrnehmen, aber jeder Arzt wird diagnostizieren: Da ist nichts (auch nichts psychisches). Das kann so nicht funktionieren...

Vermutlich wird sich aber noch jemand melden, der eine fundierte Antwort geben kann.

 

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Hotzenplotz2
· bearbeitet von Hotzenplotz2

Also erstmal bin ich sehr skeptisch was psychische Diagnosen durch Ärzte angeht. Dafür gibt es psychologische Psychotherapeuten. Ein Psychater st zumindest mal der richtige Facharzt dafür. Da weiß ich jetzt gar nicht, wie es zeittechnisch bei so jemandem aussieht aber in den üblicherweise kurzen Diagnostischen Gespräch beim Arzt kann soetwas nicht sauber ausdifferenziert werden.


Damit eine Persönlichkeitsakzentuierung auch wirklich als Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wird muss auch ein individueller Leidensdruck bzw. eine erheblich psychosoziale Beeinträchtigung vorliegen. Es ist also gut möglich, dass die Prägung schon früh vorlag, der Leidensdruck aber erst später aufkam. Somit würde auch die Krankheit vorliegen. Außerdem können sich auch bestimmte Dinge ergeben (z.B. Kinder, neuer Arbeitsplatz, etc.) die ein stärkeres hervortreten dieser Störung ermöglichen.
Es ist auch so, dass gerade in Psychatrischen Kliniken schnell eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wird, da so gegenüber der Krankenkasse sehr leicht erklärt werden kann, warum ein längerer Verbleib notwendig ist.

Unterm Strich muss ja die Versicherung nachweisen, dass du bei den Gesundheitsangaben nicht wahrheitsgemäß geantwortet hat. Und das wird, wenn es dazu keinen einzigen Arztbefund aus der Vergangenheit gibt, sehr schwierig wenn nicht unmöglich. Kritisch wäre, wenn da jetzt beim Psychater in der Akte steht, dass du diese Probleme schon immer hast aber sie bisher verschwiegen hast.

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dronzo
vor 15 Stunden von Mkoll:

Im Falle des Busfahrers müsste es doch eindeutig sein, oder nicht? Der Busfahrer braucht unbedingt seine Fahrerlaubnis, um 99% seiner Arbeitsaufgaben erfüllen zu können. Ohne die Fahrerlaubnis ist der Busfahrer überhaupt nicht dazu in der Lage, seinen Beruf in irgendeiner Art und Weise noch auszuüben. Mit einer psychischen Diagnose verliert der Busfahrer aber jene Fahrerlaubnis, da Symptomfreiheit eine der Grundvoraussetzungen für die Fahrerlaubnis der Klasse D ist (laut Fahrerlaubnis-Verordnung).

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dronzo
· bearbeitet von dronzo
vor 10 Stunden von Hotzenplotz2:

Also erstmal bin ich sehr skeptisch was psychische Diagnosen durch Ärzte angeht. Dafür gibt es psychologische Psychotherapeuten. Ein Psychater st zumindest mal der richtige Facharzt dafür.

Interessant. Ich dachte immer, dass der Psychiater in dem Gebiet die größte Expertise besitzt und Psychotherapeuten z.B. sogar nicht mal krankschreiben dürfen und dafür auf einen Psychiater oder Hausarzt angewiesen sind. Es gibt aber so viele verschiedene Berufsbezeichnungen in dem Bereich, dass ich da oft durcheinander komme.
 

 

vor 10 Stunden von Hotzenplotz2:

Unterm Strich muss ja die Versicherung nachweisen, dass du bei den Gesundheitsangaben nicht wahrheitsgemäß geantwortet hat. Und das wird, wenn es dazu keinen einzigen Arztbefund aus der Vergangenheit gibt, sehr schwierig wenn nicht unmöglich. Kritisch wäre, wenn da jetzt beim Psychater in der Akte steht, dass du diese Probleme schon immer hast aber sie bisher verschwiegen hast.

Macht absolut Sinn.

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Hotzenplotz2
vor einer Stunde von dronzo:

Interessant. Ich dachte immer, dass der Psychiater in dem Gebiet die größte Expertise besitzt und Psychotherapeuten z.B. sogar nicht mal krankschreiben dürfen und dafür auf einen Psychiater oder Hausarzt angewiesen sind. Es gibt aber so viele verschiedene Berufsbezeichnungen in dem Bereich, dass ich da oft durcheinander komme.

Nun ja, man könnte jetzt polemisch sagen, dass die Halbgötter in Weiß sehr stark an ihrem Status festhalten. Die Psychotherapeuten sind eine deutlich jüngere Disziplin und psychische Krankheiten werden bis heute an vielen Stellen nicht richtig Ernst genommen. Die Kassensitze für PT basieren immer noch auf einer Schätzung psychologischer Krankheiten aus den 70ern und heute wartet man eben Monate lang auf einen Therapieplatz. Psychater sind viel älter und haben früher dann "Irrenanstalten" geleitet und Leute mit Medikamenten ruhig gestellt. Auch das hat sich geändert, psychische Kliniken sind nichts wovor man Angst haben müsste und Psychater können deutlich mehr als nur Pillen verschreiben.
Es ist richtig, dass die PTs nicht krankschreiben dürfen, das heißt aber nicht, dass sie weniger Expertise haben sondern, dass das System eben nur Ärzten diese Kompetenz zuschreibt. Ein Hausarzt hat wenig bis keine Ahnung von psychologischen Erkrankungen da ist er nicht für ausgebildet sauber zu diagnostizieren. Ein guter Hausarzt wird ein par grundlegende Dinge testen und jemanden mit Verdacht an einen PT überweisen. Leider überschätzen sich Hausärzte sich hier auch sehr regelmäßig und schicken Leute mit gesicherten Diagnosen irgendwo hin, obwohl die Diagnosen Unfug sind. Psychater sind ausgebildetete Fachärzte für den Bereich psychischer Erkrankungen und könnten da deutlich besser differenzieren.
Im Vergleich muss man aber sehen, dass eine Psychotherapie mit 4x50min Probatorik beginnt um genau zu schauen, welche Erkrankung vorliegt und wie diese dann therapiert wird. Da kann viel mehr getestet/besprochen werden um genau auszudifferenzieren, welche Kriterien des ICD 10 da wie stark zutreffen und welche Diagnose korrekt ist. Hintergründe/Komorbiditäten etc. können ausgearbeitet werden.
Ein Psychater hat aber beispielsweise Kompetenz im Medikamentenbereich und darf diese (im Gegensatz zum PT verschreiben). Allerdings werden nach Leitlinien die wenigsten Krankheiten medikamentös behandelt,

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Sapine

Diese Trennung bei den Aufgaben zwischen Psychotherapeuten und Psychiatern gilt in anderen Ländern nicht unbedingt. Da können Psychotherapeuten auch Psychopharmaka verschreiben etc. Je nach Land. 

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Xeronas

Gesundheitsfragen sind Wissenserklärungen. Was du nicht weißt, kannst du auch nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch beantworten.

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MatthiasHelberg
Am 14.7.2024 um 15:13 von Xeronas:

Gesundheitsfragen sind Wissenserklärungen. Was du nicht weißt, kannst du auch nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch beantworten.

Genau.

 

Dennoch können im Leistungsfall Auskünfte und Dokumente aus der Zeit vor Abschluss des Vertrages mit Diagnosen auftauchen, die man aus Sicht eines Versicherers hätte angeben müssen. Da die Versicherer nach Kenntnis solcher Umstände nur sehr wenig Zeit (1 Monat) für rechtliche Schritte haben, kann es vorkommen, dass gar nicht erst nachgefragt wird, was es damit auf sich hat. Das ist z.B. auch das potentielle Problem bei Abrechnungsdiagnosen.

 

Ich wollte schon schreiben, dass Versicherer nicht einfach irgendetwas behaupten, ohne Beweise zu haben.

 

Die Erfahrung lehrt allerdings, dass es Ausnahmen gibt.

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