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Maik_1996

Spontane Anzeigepflichtsverletzung

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polydeikes
Am 11.3.2018 um 16:16 schrieb MatthiasHelberg:

Offensichtlich ist Ihre und meine Auffassung bezüglich unseres Berufes, wie man zu seinen Kunden steht und was man für richtig und falsch in unserer Branche hält, tatsächlich ziemlich unterschiedlich.

 

Na das hoffe ich um meinen Seelenfrieden doch inständig.

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Matthew Pryor

Es gibt Neues zu vermelden: Urteil des OLG Karlsruhe vom 20.04.2018. Daraus:

 

Zitat

Leitsätze

 

1. Wenn der Versicherer im Rahmen der Antragstellung für eine Berufsunfähigkeitsversicherung erkennbar auf das Stellen bestimmter Gesundheitsfragen verzichtet, besteht keine Obliegenheit des Versicherungsnehmers, hierzu ungefragt Angaben zu machen; dies gilt auch dann, wenn die nicht erfragten Umstände erkennbar gefahrerheblich sind.

2. Ist die nur einen Satz umfassende Gesundheitsfrage beschränkt auf Angaben zu einem Tumorleiden (Krebs), einer HIV-Infektion (positiver Aids-Test), einer psychischen Erkrankung oder einem Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), besteht keine Obliegenheit, auf eine bestehende Erkrankung an multipler Sklerose hinzuweisen.

 

3. Zum Bedeutungsgehalt der Antragsfrage "Ich bin fähig, in vollem Umfang meiner Berufstätigkeit nachzugehen".

 

Zitat

Tenor

 

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg - 2. Zivilkammer - vom 8. November 2016 - 2 O 90/16 - wird zurückgewiesen.

 

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

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JS_01

Hallo @Matthew Pryor,

 

danke für die Info.

Wenn ich das Urteil nach dem Lesen richtig verstanden habe, heißt das also, dass keine Pflicht zum Angeben von nicht abgefragten Krankheiten existiert, sondern die Ablehnung durch die falsche Bejahung der Arbeitsfähigkeit begründet ist (da der Kläger zum Zeitpunkt der Antragsstellung nachweislich Einschränkungen der Koordinationsfähigkeit und der Gehfähigkeit hatte.

 

Heißt das dann im Umkehrschluss, dass eine bekannte schwere Erkrankung ohne Einschränkung der Leistungsfähigkeit aufgrund dieser Antragsfragen zu einer Anerkennung der Leistung geführt hätte?

 

Danke im Voraus,

JS

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Peter Wolnitza
vor 2 Minuten schrieb JS_01:

Hallo @Matthew Pryor,

 

danke für die Info.

Wenn ich das Urteil nach dem Lesen richtig verstanden habe, heißt das also, dass keine Pflicht zum Angeben von nicht abgefragten Krankheiten existiert, sondern die Ablehnung durch die falsche Bejahung der Arbeitsfähigkeit begründet ist (da der Kläger zum Zeitpunkt der Antragsstellung nachweislich Einschränkungen der Koordinationsfähigkeit und der Gehfähigkeit hatte.

 

Heißt das dann im Umkehrschluss, dass eine bekannte schwere Erkrankung ohne Einschränkung der Leistungsfähigkeit aufgrund dieser Antragsfragen zu einer Anerkennung der Leistung geführt hätte?

 

Danke im Voraus,

JS

 

Nein, das heißt es nicht.
Hier wurde - wie @polydeikes schon richtig aufgeführt hat, lange mit der falschen Kanone auf den falschen Spatz geschossen und dadurch (eine marketingtechnisch gewollte?) Verwirrung gestiftet.

Hier mal kurz der entscheidende Original-Passus aus dem Urteile (verkürzte Versionen sind immer mit Vorsicht zu genießen!) - denke, hier kann man recht gut heraus lesen, worum es bei dem
Thema spontane Anzeigepflichtverletzung eigentlich geht:

29 Die Anfechtung sei jedenfalls begründet, weil der Kläger arglistig gefahrerhebliche Umstände, zu deren Offenbarung er nach Treu und Glauben
verpflichtet gewesen sei, verschwiegen habe. Eine arglistige Täuschung wegen unterlassener Angabe von offenbarungspflichtigen Umständen
komme auch dann in Betracht, wenn diese Umstände vom Versicherer - wie hier - bei Vertragsschluss nicht ausdrücklich erfragt worden seien.

Die Beschränkung der Anzeigepflicht auf eine Antwortpflicht solle den Versicherungsnehmer von dem Risiko entlasten, die Anzeigepflicht infolge
einer Fehleinschätzung der Gefahrerheblichkeit eines Umstands zu verletzen. Gehe der Versicherungsnehmer aber selbst davon aus, dass die
Kenntnis des Versicherers von bestimmten Umständen trotz des Fehlens entsprechender Fragen dessen Entscheidung beeinflusse, dann sei er
diesem Risiko nicht ausgesetzt, weil das Unterbleiben ordnungsgemäßer Fragen keine Rolle für sein Verhalten gegenüber dem Versicherer
spiele. Daher könne das Unterbleiben auch eine Offenbarungspflicht nicht hindern. Zudem sei im Rahmen der Arglistanfechtung nach § 123
BGB bereits seit langem anerkannt, dass eine Täuschung auch durch Verschweigen von offenbarungspflichtigen Umständen erfolgen könne

.
30 Indem der Kläger nicht angegeben habe, an einer multiplen Sklerose zu leiden, habe er einen gefahrerheblichen Umstand, der für die
Bereitschaft der Beklagten, den Vertrag zu den angebotenen Konditionen abzuschließen, von erheblicher Bedeutung gewesen sei, arglistig
verschwiegen. Bei der Erkrankung des Klägers habe es sich um einen gefahrerheblichen und damit offenbarungspflichtigen Umstand gehandelt.
Dies liege so sehr auf der Hand, dass es einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der bereits an multipler Sklerose erkrankt sei, nicht
verborgen bleibe, sondern sich ihm geradezu aufdränge
. Dem Kläger sei klar gewesen, dass die Beklagte den Vertrag nicht wie geschehen
abgeschlossen hätte, auch wenn seine Krankheit in der im Antragsformular vorgedruckten Erklärung nicht ausdrücklich erwähnt gewesen sei.
Redlicherweise hätte er diese daher bei Antragstellung offenbaren und fragen müssen, ob die Beklagte gleichwohl zum Vertragsschluss bereit
sei. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte den Vertrag im Falle der Offenbarung nicht oder nur mit einem
Leistungsausschluss für die Berufsunfähigkeit infolge der Krankheit abgeschlossen hätte.

 

Alle Klarheiten beseitigt? :D

 



 

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Matthew Pryor
· bearbeitet von Matthew Pryor
vor 13 Minuten schrieb Peter Wolnitza:

Alle Klarheiten beseitigt? :D

Ja. Weil die genannten Punkte aus dem Vortrag des Versicherers stammen. Aus der Begründung:

 

Zitat

42 

1. Das Landgericht hat allerdings rechtsfehlerhaft angenommen, der erforderliche Anfechtungsgrund ergebe sich daraus, dass es der Kläger bei Stellung des Versicherungsantrags unterlassen hat, die Beklagte auf die bei ihm diagnostizierte multiple Sklerose hinzuweisen. Insoweit fehlt es an einer Täuschung des Klägers.

 

sowie 

 

Zitat

45 

b) Auch im Übrigen war der Kläger nicht verpflichtet, die Beklagte von sich aus auf die bei ihm diagnostizierte multiple Sklerose hinzuweisen.

 

Die von Peter zitierten Punkte geben nicht die Sichtweise des OLG wieder. 

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Peter Wolnitza
vor 28 Minuten schrieb Matthew Pryor:

Ja. Weil die genannten Punkte aus dem Vortrag des Versicherers stammen. Aus der Begründung:

 

 

sowie 

 

 

Die von Peter zitierten Punkte geben nicht die Sichtweise des OLG wieder. 

 

@Matthew - hast natürlich völlig recht. Sorry, war auf der falschen Spur. ERGO: Man sollte solche Urteile offensichtlich nicht nach 23 Uhr lesen.. Mein Fehler!

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Matthew Pryor

Wir dürfen uns ja auch mal gegenseitig lektorieren :thumbsup:

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JS_01

Jetzt bin ich wiederum verwirrt.

 

Ich hatte es so verstanden wie Matthew Pryor zitiert hat, dass eben die Sicht des Gerichts und damit die Ablehnung der Klage auf die mangelnde Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Angabepflicht für MS zurückzuführen ist?

 

Interessant finde ich das, weil ich (zufällig) für einigen Tagen einen Artikel über die Möglichkeiten der Genomanalyse gelesne habe.

Angenommen ich habe ein hohes Risiko für eine schwere Krankheit, die aber aktuell nicht ausgebrochen ist und damit keine Beschwerden verursacht, wäre man nach der Begründung des OLG rechtlich gedeckt?

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Peter Wolnitza
vor 1 Minute schrieb JS_01:

Jetzt bin ich wiederum verwirrt.

 

Ich hatte es so verstanden wie Matthew Pryor zitiert hat, dass eben die Sicht des Gerichts und damit die Ablehnung der Klage auf die mangelnde Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Angabepflicht für MS zurückzuführen ist?

 

Interessant finde ich das, weil ich (zufällig) für einigen Tagen einen Artikel über die Möglichkeiten der Genomanalyse gelesne habe.

Angenommen ich habe ein hohes Risiko für eine schwere Krankheit, die aber aktuell nicht ausgebrochen ist und damit keine Beschwerden verursacht, wäre man nach der Begründung des OLG rechtlich gedeckt?

Ja, das ist so richtig! Sorry, wenn ich da für Verwirrung gesorgt habe.

 

Nur schnell noch zum Gentest: (Wir reden jetzt von "normalen" Versicherungssummen, die ohne eine vom Versicherer vorgeschriebene ärztliche Untersuchung abgeschlossen werden können z.B. bis 300.000 Todesfall, 30.000 BU Jahresrente)

Klassisches Beispiel: Faktor V-Leiden Syndrom - bewirkt eine erhöhte Thrombose Neigung (Beispiel hinkt zwar, weil i.d.R. ein Versicherer nicht wegen Faktor V ablehnen wird, trotzdem zur Erklärung m.E. ganz gut geeignet):

Prädiktive Gentests (also nur, um festzustellen, ob ich das auch habe - weil es mein Vater oder meine Mutter oder Beide haben) - sind NICHT angabepflichtig, dürfen - wenn versehentlich mit angegeben - vom Versicherer nicht in der Risikoprüfung

berücksichtigt werden - genau genommen, nicht mal verarbeitet werden.

 

Wenn aber bei mir jetzt bereits eine Thrombose aufgetreten ist  wäre ein im Rahmen der Behandlung/Diagnose deswegen durchgeführter sog. diagnostischer Gentest anzeigepflichtig.

 

Das Fädchen kann man natürlich noch weiter aufdröseln und verästeln - denke aber, so reichts erstmal.

 

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JS_01

Das mit dem Gentest war nur ein Beispiel, das mir beim Lesen des Urteils in den Sinn kam und mit dem man einen solchen Fall theoretisch konstruieren könnte.

 

Danke euch beiden für den Link und die Antworten :) 

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polydeikes
· bearbeitet von polydeikes

Nö. Das OLG Karlsruhe hat schlichtweg nur den Käse des LG Heidelberg weggeräumt. Ein Grundsatzurteil zum Thema spontane Anzeigepflichtverletzung ist das in keinster Weise (OLG schon gar nicht, aber keine Revision zugelassen). Liegt aber schlicht daran, dass es auch nie nötig war überhaupt darüber zu diskutieren, wie ich oben ob der objektiv nicht gegebenen uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit schon erklärt hatte. Abs. 3 §2 SGB IX und uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit schließen sich schlichtweg gegenseitig aus. So einfach ist das.

 

Alles andere drum herum ist medial aufgebauschte Selbstvermarktung auf fachlich ganz dünnem Niveau, um den Fehler eines Versicherungsmaklers als Dienst am Verbraucherschutz sauber zu waschen.

 

Und da ist auch nichts Missverständliches an solchen Antragsfragen, wie uns ein neuerlicher Blogbeitrag des Betroffenen dazu glauben machen möchte. Wenn das für einen Makler missverständlich ist, sollte er die Hände von Biometrie lassen und KFZ schreiben, so einfach ist das.

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Matthew Pryor

Von einem Grundsatzurteil kann ich in den zuvor geschriebenen Zeilen auch nichts lesen. Es gibt nun, bezogen auf den konkreten Fall, ein abschließendes Urteil. Nicht mehr, nicht weniger. Das kann für den einen oder anderen interessierten Mitleser von Interesse sein, muss es nicht. Ob es aufgrund dieser Debatte, die noch längst nicht ihrem Ende zugeführt sein dürfte, zwischen Vermittlern zu wie auch immer gearteten Reibereien kommt, dürfte für die Meisten an dieser Stelle von eher untergeordneter Bedeutung sein.

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polydeikes

Reiberreien dürften uninteressant sein. Marketingbedingte, verunsichernde Nebelkerzen sollte man aber schon als solche aufzeigen, sonst glaubt es noch jemand.

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MatthiasHelberg

Eine Info herauszugeben, die Kunden "verunsichert", also eher von einem Abschluss abhält, als Marketing zu bezeichnen, ist mal ein ganz neuer Ansatz. :-)

 

Rückblickend stellt sich die Frage, warum hier die Athene / Ex-Delta Lloyd überhaupt das Thema "spontane Anzeigepflicht" ins Feld gebracht und damit so ein Fass aufgemacht hat? So etwas passiert ja nicht zufällig...

Genau so wenig zufällig wird sich die Basler darauf bezogen haben.

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polydeikes
· bearbeitet von polydeikes

Natürlich hätte man auch selbstlos drauf hingewiesen, wenn man nicht selbst einem Todkranken einen Aktionsantrag vertickt hätte. Und natürlich war vermeintliche Selbstreputation noch nie Marketing und sich als weißen Ritter oder Verbraucherschützer hinzustellen, auf die Marketingidee kam auch noch nie einer.

 

---

 

Die Begründung des VRs ist ab Ziffer 26 dem Urteil zu entnehmen: http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=OLG+Karlsruhe&Art=en&Datum=2018&nr=23959&pos=0&anz=23


 

Zitat

 

26

mit der Abgabe der Gesundheitserklärung bei Antragstellung habe der Kläger bewirkt, detaillierte Gesundheitsfragen nach Maßgabe des Formulars A122 nicht beantworten zu müssen. Der Kläger sei bereits im März 2010 krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, in vollem Umfang seiner Berufstätigkeit nachzugehen. In der Zusammenschau seiner Angaben im Leistungsantrag und der dazu beigefügten Unterlagen sowie der von der Beklagten im Rahmen des Leistungsprüfungsverfahrens eingeholten Auskünfte sowie Berichte der behandelnden Ärzte habe sich ergeben, dass er unter den Beschwerden, aufgrund derer nun der Eintritt der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit geltend gemacht werde, bereits seit 2000 gelitten habe. Nur ein halbes Jahr vor Beantragung der Versicherung habe der Kläger eine Erhöhung des Grads der Behinderung auf 60 beantragt. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass es sich bei seiner Grunderkrankung um eine chronisch progrediente Verlaufsform handele. Zudem seien bereits im Vorfeld der Antragstellung zahlreiche krankheitsbedingte Funktionseinschränkungen bei dem Kläger ärztlich dokumentiert. In Kenntnis dieser Umstände hätte die Beklagte das streitgegenständliche Versicherungsverhältnis nicht abgeschlossen.

 


 

Zitat

 

27 

Die Beklagte habe das Vertragsverhältnis wirksam gemäß § 123 BGB angefochten. Der Kläger habe seine vorvertragliche Anzeigepflicht gegenüber der Beklagten in arglistiger Weise verletzt. Insbesondere habe er in unzutreffender Weise erklärt, zum Zeitpunkt der Antragstellung in seiner Fähigkeit zur Berufsausübung nicht beeinträchtigt gewesen zu sein, was offenkundig falsch gewesen sei. Bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung hätten sämtliche krankheitsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen vorgelegen, die nunmehr zur Berufsunfähigkeit geführt haben sollten. Das vom Kläger vorgetragene Verständnis der Antragsfrage sei abwegig. Der Kläger habe arglistig gehandelt, denn es habe ihm klar vor Augen gestanden, unter erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden. Für ihn sei bei Vertragsschluss absehbar gewesen, dass - sollte dies nicht bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung der Fall gewesen sein - in näherer Zukunft bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eintreten würde. Auf den ebenfalls erklärten Rücktritt gemäß § 19 Abs. 2 VVG komme es nicht an, wobei dessen Voraussetzungen vorgelegen hätten. Hilfsweise hat die Beklagte das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit bestritten und sich auf den Einwand der Vorvertraglichkeit berufen.

 

 

 

 

 

 

Der VR hat die Anfechtung erklärt (für Mitleser, Versicherungsnehmer habe ANTRAGSFRAGE bzgl. uneingeschränkter Arbeitsfähigkeit arglistig falsch beantwortet) und wie üblich, zeitgleich den Rücktritt gem Abs. 2 §19 VVG. Das geht a) nicht anders, da bei Scheitern Arglist Umdeutung in Kündigung und hat b) absolut nichts mit spontaner Anzeigepflicht zu tun.

 

 

Erst das LG kam dann auf die Idee, dass Arglist gar nicht zu beurteilen sei, weil ja gem. Treu und Glauben ohnehin der Umstand losgelöst von Antragsfragen angegeben hätte werden müssen.

 

Zitat

28 Das Landgericht (!!!) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte den Versicherungsvertrag wirksam gemäß § 22 VVG i.V.m. § 123 BGB angefochten habe. Dabei könne offenbleiben, ob eine arglistige Täuschung des Klägers darin liege, dass er durch Ankreuzen der vorgedruckten Erklärung die Angabe gemacht habe, bei Antragstellung fähig gewesen zu sein, in vollem Umfang seiner Berufstätigkeit nachzugehen.

 

Zitat

29 Die Anfechtung sei jedenfalls begründet, weil der Kläger arglistig gefahrerhebliche Umstände, zu deren Offenbarung er nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen sei, verschwiegen habe. Eine arglistige Täuschung wegen unterlassener Angabe von offenbarungspflichtigen Umständen komme auch dann in Betracht, wenn diese Umstände vom Versicherer - wie hier - bei Vertragsschluss nicht ausdrücklich erfragt worden seien

 

 

 

Es war also nicht der VR, der hier auf die krude Idee gekommen ist, eine Anzeigepflicht über seine Antragsfrage hinaus zu diskutieren. Insofern stimmt es schlicht nicht, dass die Versicherer hier irgendetwas getan hätte, was für potentielle Kunden gefährlich sei. Marketingbla und Angstmacherrei, genau das ist es und bleibt es. Siehe auch hier Zitat "in falscher Sicherheit wiegen"

 

 

 

---

 

Dass die Basler (in Folge LG Heidelberg) auf die Idee kam, die vom LG Heidelberg aufgeworfene Idee (die durchaus gegensätzlich zu diverser OLG Rechtssprechung zuvor lief) aufzugreifen, ist durchaus nicht dumm. Ua. deswegen weil in diesem Fall gerichtlich keine Inhaltsprüfung gem. 305c BGB für die Antragsfragen notwendig wäre, hatte ich bereits dargelegt. Viel mehr als ein Experiment war dieser Ansatz der Basler, einer von mehreren, allerdings nicht.

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