Bilanzanalyse - Frage zum Anlagevermögen

[Neuron237]

Hallo,

 

ich möchte mich in den Bereich Bilanzanalyse einarbeiten und habe mir dazu die letzte Bilanz von Halloren (DE000A0LR5T0) vorgeknöpft und arbeite mich jetzt im Schneckentempo durch. Dabei bin ich über folgenden Satz gestolpert:

 

Geschäfts- oder Firmenwerte aus der Ablösung von atypisch stillen Gesellschaftsverhältnissen werden aktiviert und über 15Jahre abgeschrieben.

 

Obwohl ich sämtliche Begriffe aus dem Satz nachgeschaut habe bei Wikipedia o.ä., werde ich aus dem Satz immer noch nicht richtig schlau. Wer kann mir in einfacheren Worten erklären, was da passiert ist?

 

Vielen Dank!

[Cai Shen]

Habe den Geschäftsbericht gerade nicht zur Hand.

Aktivieren heisst, "Kosten" werden als werthaltige Bilanzposten auf der Aktivseite der Bilanz geführt.

 

Passiert relativ häufig bei Entwicklungskosten und Forschungsausgaben, operative Kosten transformiert man so buchhalterisch in eine Investition, die über mehrere Jahre abgeschrieben wird. Anstatt diese im Jahr der Entstehung als Kosten ausgewiesen werden und den Gewinn schmälern, geht man davon aus, dass daraus später Umsätze generiert werden, z.B. durch Produktverkäufe.

 

1 Milliarde Ausgaben für die Entwicklung eines Medikaments lässt sich so in der Gewinn- und Verlustrechnung durch Abschreibungen der aktivierten Entwicklungskosten über mehrere Jahre strecken.

 

Als atypische stille Beteiligung kann ich nur raten, dass evtl. ein Teilhaber Immobilien eingebracht hat, die jetzt (gegen Auszahlung einer Geldsumme) auf das Unternehmen übergegangen sind und über die voraussichtliche Nutzungsdauer abgeschrieben werden.

[Ramstein]

Hast du bei der Halloren Investor Relations angefragt?

Falls nein, warum nicht?

[Dandy]

Hab mal kurz in den GB reingeschaut. Die Passage steht nur unter den Bilanzierungsregeln aufgeführt. Ob diese tatsächlich zur Anwendung kam konnte ich nicht feststellen. Frage an Investor Relations würde hierbei helfen.

 

Ein atypisch stille Gesellschaft ist z.B. hier beschrieben. Ich verstehe es so, dass es sich dabei um eine Beteiligung mit ausübender unternehmerischer Tätigkeit in dem Unternehmen handelt. Typisch ist in dem Sinne dann eine reine Geldanlage mit Gewinnbeteiligung. Das Ganze scheint ein Deutsch-Österreichisches Konzept zu sein und International keine Rolle zu spielen.

 

In der Bilanz findet sich auf der Passivseite der Posten "Ausgleichsposten für Anteile anderer Gesellschafter". In den Erläuterungen ist dann noch das hier zu finden:

 

Die Beteiligung an der Bouchard NV besteht zu 50 % zuzüglich ein Geschäftsanteil. Der Ausgleichsposten für Anteile anderer Gesellschafter

bemisst sich grundsätzlich am Eigenkapital der Bouchard NV unter Berücksichtigung der einheitlichen Bilanzierungsund

Bewertungsmethoden. Darüber hinaus enthält der Ausgleichsposten für Anteile anderer Gesellschafter außerdem Anteile an

den aufgedeckten stillen Reserven sowie die anteiligen Ergebnisbestandteile aus der Folgekonsolidierung entsprechend der Neubewertungsmethode.

Die Folgekonsolidierung – und damit auch die Konsolidierung zum 31. Dezember 2014 – erfasst den Konzernanteil

der nach dem Stichtag der Erstkonsolidierung erwirtschafteten Ergebnisse der Konzerngesellschaften im Konzernergebnis.

 

Klingt so, als hätten die anderen Anteilseigner an Bouchard gefordert, dass sie auch an den stillen Reserven beteiligt werden bzw. Ihr Anteil daran ausgeschüttet werden muss.

[Malvolio]

Ich kenne den Fall nicht, aber ich würde mal raten, das hier atypische stille Beteiligungen z.B. an der Halloren AG (?) aufgelöst, d.h. abgefunden worden sind. Da vermutlich der oder die abgefundenen Gesellschafter einen entsprechenden Firmen- oder Geschäftswert vergolten bekommen haben, also eine entsprechend hohe Abfindung bekommen haben, wurde dieser Geschäfts- oder Firmenwert entsprechend aktiviert.

 

Die 15 Jahre Abschreibungsfrist für diesen aktivierten Firmenwert ergeben sich aus § 7 Abs. 1 S. 3 EStG.

[Neuron237]

Vielen Dank an alle Antwortenden! Eure Hinweise haben mir sehr geholfen!