soundjunk September 8, 2015 Hallo zusammen, ich versuche mir aktuell das Konzept der Konvexität näher zu bringen, habe dabei aber Verständnisprobleme. Natürlich weiß ich, dass die Konvexität besser/genauer als die Schätzung durch Duration ist, allerdings kann ich mit der Interpretation des Ergebnisses nichts anfangen. Ich habe mir ein Beispiel ausgedacht, bei dem ich Duration und Konvexität errechnet habe. Beispiel: Straight Bond, 3 Jahre Restlaufzeit, Kupon 4% p.a., Marktrendite 3% (Annahme: flache Zinsstrukturkurve) Legende für die Formel: ti= (Rest-)Laufzeit in Jahren Zi= Zahlung in Periode i B= Barwert der Anleihe r= Marktrendite n= 3 Jahre (in diesem Beispiel) Durationsformel: Summenzeichen von i=1 bis n (ti* Zi* (1+r)^-ti)/ Barwert = (1*3,88+2*3,77+3*95,17)/ 102,82 = ca. 2,9 Jahre Konvexität: Summenzeichen von i=1 bis n (ti*(ti+1)* Zi* (1+r)^-ti)/ (1+r)^2* Barwert = [1*(1+1)*3,88 + 2*(2+1)*3,77+ 3*(3+1)*95,17]/ (1+0,03)^2 * 102,82 = 1142,04/ (1,0609*102,82) =10,469 Ich weiß, dass die Duration die 1. Ableitung der Funktion (Steigung) und die Konvexität die 2. Ableitung (Krümmung) sein soll. Was sagt mir jetzt aber die 10,469? Duration in Jahren ist klar, aber ich verstehe nicht die Interpretation des letzten Ergebnisses. Eigentlich will ich ja jetzt die exakten Kursveränderungen bei höheren Marktzinsänderungen bestimmen. Bitte um Hilfe. Vielen Dank. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Cauchykriterium September 8, 2015 · bearbeitet September 8, 2015 von Cauchykriterium Wir erinnern uns an unsere Oberstufenzeit: Taylor-Entwicklung einer Funktion f um einen Entwicklungspunkt x0. Unter gewissen Voraussetzungen ist f(x) = Summe(n=0 bis unendlich) f(n)(x0)/n! * (x-x0)^n, wobei mit f(n)(x0) die n-te Ableitung von f, ausgewertet an der Stelle x0 sei. Und wenn man jetzt mal die Summe abschneidet, ergibt sich beispielsweise: f(x) = f(x0) + f'(x0)(x-x0) + f''(x0)/2 * (x-x0)^2 (zzgl. eines gewissen Fehlers, den wir hier einfach mal ignorieren) Und wenn man jetzt noch hübsch die auszurechnenden Ableitungen einsetzt, dann kann man die Barwertfunktion f auch besser für Zinsänderungen von x0 nach x approximieren, als wenn man schon nach dem Glied mit der ersten Ableitung aufhört, wie es das Durationskonzept vorsieht. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
IRRer-Zins September 8, 2015 · bearbeitet September 8, 2015 von IRRer-Zins Ich weiß, dass die Duration die 1. Ableitung der Funktion (Steigung) und die Konvexität die 2. Ableitung (Krümmung) sein soll. Was sagt mir jetzt aber die 10,469? Duration in Jahren ist klar, aber ich verstehe nicht die Interpretation des letzten Ergebnisses. Eigentlich will ich ja jetzt die exakten Kursveränderungen bei höheren Marktzinsänderungen bestimmen. Man approximiert die Barwertkurve mit einem Taylorpolynom. Bei der Duration bricht man diese nach dem ersten Term ab, sodass sich eine Gerade ergibt. Die Duration reicht für eine Betrachtung von kleinen Zinsänderungen aus. Sobald diese eine gewisse Schwelle übertreten, wird die Berechnung mit einer linearen Annäherung zu ungenau, sodass man eine quadratische Approximation nimmt. Das ist die Konvexität, welche dem Namen auch zu entnehmen, bei konvexen Barwertkurven eine erhebliche Genauigkeitssteigerung bei großen Zinsänderungen ermöglicht. Die Konvexität ist rechnerisch etwas vereinfacht (t² statt t*(t+1)) die gewichtete Summe der quadrierten Auszahlungszeitpunkte. Besonders interessant wird sie erst bei Langläufern bzw. Depots mit hoher Duration. Je geringer der Kupon einer Anleihe ist, desto größer ist die Duration und auch die Konvexität. Bei gleicher Duration wird man immer die Variante mit der höheren Konvexität wählen. Ein Thread zu dieser Fragestellung. Die Duration ist eine selbstsichernde Kennzahl und sollte für nahezu alle Privatanleger als Auswahlkriterium genügen. Nun zur eigentlichen Frage: Die Konvexität ist ein Maß, das nicht nur die linearen Zinsänderungen einbeziehen kann, sondern auch die Butterflys in der Zinsstrukturkurve und steht somit im Zusammenhang mit der Volatilität der Zinssätze. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
soundjunk September 9, 2015 Vielen Dank euch beiden für die sehr ausführlichen Erläuterungen. Ich bin leider nur nicht weiter, was mir mein Ergebnis sagen soll. Je höher die Konvexität desto besser, das ist klar. Aber was sagt mir eine Krümmung von 10,xxx? Kann ich das Ergebnis damit graphisch über eine Funktion darstellen? Wenn ja, wie? Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Hellerhof September 9, 2015 Vielen Dank euch beiden für die sehr ausführlichen Erläuterungen. Ich bin leider nur nicht weiter, was mir mein Ergebnis sagen soll. Je höher die Konvexität desto besser, das ist klar. Aber was sagt mir eine Krümmung von 10,xxx? Kann ich das Ergebnis damit graphisch über eine Funktion darstellen? Wenn ja, wie? Ich stecke nicht ganz im Thema Anleihen drin, ich habe aber den Verdacht, dass die 10,xx% bedeuten, dass der monetäre Wert, also der Kurs deiner Anleihe, bei einem sinken des Marktzinses im einen Prozentpunkt um 10,xx% steigen müsste. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
soundjunk September 9, 2015 Naja, dann wäre die Abweichung zur Modified Duration (Duration/ (1+r) = 2,82%) ziemlich heftig. Zu mal das Ergebnis der Modified Duration bei Marktzinsänderungen zwischen 50 und 100 Basispunkten ziemlich genau geschätzt werden kann. Und genauso ein Beispiel (Spread Kupon und Marktzins=100 Basispunkte) habe ich genommen. Wenn das Ergebnis in Euro wäre, dann würde ich den PVBP nehmen. Also, um wieviel Euro schwankt der Kurs der Anleihe, wenn sich Marktzins um 1 Basispunkt verändert = Modified Duration * Barwert/ 10.000= 2,82*102,82/10.000= ca. 0,03€ Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
IRRer-Zins September 9, 2015 Ich stecke nicht ganz im Thema Anleihen drin, ich habe aber den Verdacht, dass die 10,xx% bedeuten, dass der monetäre Wert, also der Kurs deiner Anleihe, bei einem sinken des Marktzinses im einen Prozentpunkt um 10,xx% steigen müsste. Stimmt vom Ansatz her. Die Konvexität stellt einen Korrekturterm für die Berechnung der Wertänderung bei Zinsänderung mit der Duration bereit. Formel: Konvexität*Zinsänderung²*100 = Korrekturterm in % Für das Beispiel ergibt sich: Duration + Korrekturterm = (+-)2,9% + 0,105%. Die Duration ändert ihr Vorzeichen je nach Änderungsrichtung des Zinssatzes während der Korrekturterm immer positiv miteingeht (theoretischer Sonderfall von negativer Konvexität ausgenommen). Das zeigt die von mir beschriebene selbstsichernde Eigenschaft der Duration. Verluste werden größer angenommen, Gewinne kleiner. Graphisch kann man die Konvexität sinnvoll nur gemeinsam mit der Duration als quadratische Funktion am Barwert darstellen. Vereinfacht: Kennzahl für die Stärke der Kurvenkrümmung. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
soundjunk September 9, 2015 Es gibt doch so etwas wie einen Tangentialpunkt auf der Durationsgeraden, da kann doch kaum eine Abweichung möglich sein. Habe das mal graphisch - ist kein Picasso geworden - eben dargestellt: Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
IRRer-Zins September 9, 2015 Richtig, deshalb wird die Konvexität auch nur bei großen Zinsänderungen betrachtet, da es bei kleinen Änderungen auch die Duration alleine tut. Da kommt kaum eine Genauigkeitssteigerung bei rum In der Formel ist ersichtlich, dass bei kleinen Änderungen der Korrekturterm (durch quadratische Berücksichtigung der Änderung) schneller gegen Null strebt als der Term der Duration. Daher geht er bei kleinen Zinsänderungen auch weniger in das Ergebnis mit ein. Bei "normalen" Anleihen ist die Konvexität immer positiv, wie von dir gezeichnet. Falls du dich für den Schweinkram interessierst, gibt es sie auch in negativer und gemischter Form. Hier noch ergänzt der Barwert. Die Konvexität, wie von dir gezeichnet beinhaltet ebenfalls die Duration (da eine Approximation 2. Grades durch das nach dem 2. Term abgebrochene Taylorpolynom und somit auch der erste Term, die Duration, enthalten ist), da sonst die Kurve nicht an dieser Stelle und dieser Form im Koordinatensysten zu finden wäre. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
soundjunk September 9, 2015 Also, ist der Barwert bzw die Barwertkurve die Funktion, die Duration die erste Ableitung und die Konvexität die zweite Ableitung?! Negative Konvexität und negative Duration? Ist das rechnerisch darstellbar oder muss ich einfach nur an eine Short Position denken und ein negatives Vorzeichen anschreiben? Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
IRRer-Zins September 9, 2015 Also, ist der Barwert bzw die Barwertkurve die Funktion, die Duration die erste Ableitung und die Konvexität die zweite Ableitung?! Ja, der Zusammenhang passt jetzt, auch wenn zuvor noch etwas umgeformt wird. Am besten schaust du dir das z.B. hier unten auf der Seite an. Negative Konvexität und negative Duration? Ist das rechnerisch darstellbar oder muss ich einfach nur an eine Short Position denken und ein negatives Vorzeichen anschreiben? Ganz einfach: Die Barwertkurve sieht anders aus, hat also auch Teile mit entgegengesetzter Krümmung. Damit dreht sich das Vorzeichen der Konvexität. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
soundjunk September 9, 2015 Prima, dann habe ich es jetzt verstanden. Vielen Dank euch allen Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag