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Schildkröte

Leitfaden für Stockpicker

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· bearbeitet von Schildkröte

5.8 Zyklik und Robustheit

Im Abschnitt 3 bin ich bereits ausführlich auf Wirtschafts- und Börsenzyklen eingegangen. Grundsätzlich lässt sich dabei festhalten, dass in einem Boom auch schlechte Papiere im Kurs steigen und bei einem Crash Qualitätswerte ebenfalls gen Süden rauschen. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel.

Was sind das in diesem Zusammenhang für Ausnahmen? Nach Aussage von André Kostolany können sich höchsten ganz besonders wachstumsstarke Unternehmen den B-Phasen eines Börsenzyklusses entziehen. Ist das alles? Karl Napf spricht gerne von sog. "robusten" Aktien. Ob und wie sehr robust eine Aktie ist, hängt jeweils vom konkreten Einzelfall ab. Allgemein sollten robuste Aktien u. a. folgende Eigenschaften haben:

- sehr starkes Wachstum, auch während einer Krise oder Stagnation

- kein bzw. weniger konjunkturabhängiges Geschäftsmodell (z. B. Nahrung, Drogerie, Gesundheit etc.)

- Anti-Zykliker (profitieren von Krisen, loosen während eines Boomes)

Zu letzterem Aspekt könnte man ein eigenes Thema eröffnen. Aber viele Anleger verwechseln Anti-Zykliker mit Nicht-Zyklikern. Nicht-Zykliker zeigen sich vom Marktgeschehen weitestgehend unbeeindruckt, während sich Anti-Zykliker völlig entgegengesetzt zum Markt verhalten. Anti-Zykliker sind von daher an sich keine robusten Aktien, allerdings kann man mit ihnen als Beimischung analog zur Long-Short-Strategie sein Depot als Ganzes robuster ausrichten.

Unter robusten Aktien sind letztlich vor allem diejenigen zu verstehen, welche nicht und weniger zyklischen Branchen zuzuordnen sind. Zwar werden auch diese während eines Crashes oder einer Signatur im Kurs fallen. Jedoch nicht so stark wie der gesamte Markt. Dafür werden sie aber während eines Boomes meist nicht so gut wie der der gesamte Markt abschneiden. Es zeigt sich also wieder einmal, dass Sicherheit nicht selten Rendite kostet.

Wem zwischenzeitliche Kursschwankungen egal sind, dem möchte ich Mittel-Zykliker ans Herz legen. Fundamental sind diese ebenfalls nicht so stark von der Konjunktur abhängig, so dass fundamental durchaus eine gewisse Robustheit vorliegt. Allerdings werden Mittel-Zykliker vom Markt sehr häufig weniger wie Nicht-, sondern mehr wie Extrem-Zykliker behandelt. Was kurstechnisch zunächst vielleicht ärgerlich sein mag, bietet unter dem Strich häufig interessante Einstiegsmöglichkeiten im eigentlich doch effizienten Markt.

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5.9 aktiv und passiv

Soll man aktiv oder passiv investieren? Das Thema wurde im Forum schon sehr häufig kontrovers diskutiert. Der wichtigste Einwand der Anhänger von passivem investieren gegen aktives investieren ist der Verweis auf die sog. Theorie des effizienten Marktes:

 

Die Markteffizienzhypothese (engl. efficient market hypothesis, kurz EMH, aufgrund der wörtlichen Übersetzung fälscherlicherweise oft als Effizienzmarkthypothese bezeichnet) wurde 1970 von Eugene Fama[1][2][3][4] als mathematisch-statistische Theorie der Volkswirtschaftslehre aufgestellt. Finanzmärkte, so die These, sind effizient, insofern vorhandene Informationen bereits eingepreist seien und somit kein Marktteilnehmer in der Lage sei durch technische Analyse, Fundamentalanalyse, Insiderhandel oder anderweitig zu dauerhaft überdurchschnittlichen Gewinnen zu kommen. Im Jahr 2013 wurde Eugene Fama zusammen mit Robert J. Shiller und Lars Peter Hansen für seine Arbeiten zur Effizienz von Märkten (bzw. “for their empirical analysis of asset prices”) mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.[5]

Häufig wird passives investieren mit dem investieren in ETFs gleichgesetzt (das Thema investieren in ETFs vs. Direktanlage in Aktien wurde hier schon sehr ausführlich behandelt). Das ist jedoch ein Trugschluss! Ein Anleger kann z. B. aktiv mit ETFs handeln. Er vermeidet dabei zwar das Einzelausfallrisiko, kann aber wegen seines aktivem handelns schlechter als der Markt abschneiden. Ein Aktienanleger wiederum geht zwar ein Einzelausfallrisiko ein, kann sich sonst allerdings komplett passiv verhalten. Das nennt sich dann buy & hold. Letzteres erfordert ein ruhiges Gemüt. Stures buy & hold ist jedoch so eine Sache. Im Falle ernsthafter Probleme eines Unternehmens oder auch bei einer deutlichen Überbewertung einer Aktie sollte ein Verkauf nicht abwegig sein. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Grenzen zwischen beiden Anlagestilen vielleicht auch wieder fließend. Wer sich aktives handeln bzw. traden zutraut, sollte genauso wie ein Stockpicker regelmäßig prüfen, ob er nach Gebühren dauerhaft tatsächlich besser als der Markt abschneidet.

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5.11 Daytrading

An dieser Stelle möchte ich auf Daytrader eingehen. André Kostolany nannte diese Spezies Börsenspieler. Mitunter wirft man sie auch mit Tradern gemeinsam in einen Topf. Trader verfolgen zwar einen aktiven und eher kurz- bis mittelfristigen Ansatz, allerdings halten sie Wertpapiere schon für eine Weile. Daytrader hingegen kaufen und verkaufen Wertpapiere an ein und dem selben Tag.

 

Einzelne Indizes verändern sich am Tag für gewöhnlich um nicht mehr als 1,xx %. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Einzelne Aktien meist auch nicht viel mehr. Es sei denn, es handelt sich um sehr riskante Aktien. Daytrader versuchen nun intraday schnelle Gewinne mitzunehmen. Das sind dann eher kleine Gewinne. Hierbei machen sich Ordergebühren überproportional im negativen Sinne bemerkbar. Wer mutig ist, könnte einen Kredithebel einsetzen. Die Risiken sind gar nicht groß genug einzuschätzen.

 

Wer den Nervenkitzel mag bzw. aufs schnelle Geld aus ist, soll ruhig sein Glück versuchen. André Kostolany hat Börsenspieler einerseits zwar verabscheut. Andererseits fand er sie jedoch auch durchaus nützlich. Denn sie sorgen für eine gewisse Liquidität am Markt, wovon andere Marktteilnehmer ebenfalls profitieren. Bestrebungen seitens der Politik, gegen den Hochfrequenzhandel vorzugehen, sind umstritten. Schließlich verursachen Daytrader nur selten selbst Marktbewegungen. Vielmehr schwimmen sie lediglich auf der Welle des Marktes mit.

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6. Kennzahlenanalyse

 

Bisher haben wir uns vor allem grundsätzlichen Dingen gewidmet. Doch ganz nach dem Motto "vom großen ins kleine" wollen wir uns nun mit der fundamentalen Kennzahlenanalyse beschäftigen. Um dieses Thema kommt man nicht umhin, wenn man sich ernsthaft mit Stockpicking auseinandersetzen will. Natürlich ist das Thema sehr komplex und ich empfehle diesbezüglich weiterführende Literatur. Allerdings sollen an dieser Stelle auf jeden Fall die wichtigsten Kennzahlen angerissen werden. Vorab möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass bestimmte Kennzahlen entspr. für bestimmte Branchen aussagekräftig(er) sind und andere wiederum weniger. Des Weiteren stellt sich die Frage, auf welchem Wege man an Kennzahlen gelangt. Kostenlose Finanzportale können eine erste Anlaufstelle sein, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen, sind jedoch nicht selten ungenau. Wer es aber genau wissen möchte, sollte im Investor Relations (IR) - Bereich der Unternehmen in die Geschäftsberichte schauen. Das kann sehr mühsam sein. Einige Unternehmen stellen allerdings auch direkt die wichtigsten Kennzahlen recht übersichtlich bereit. Diese Kennzahlen sollten ggf. um Sondereffekte bereinigt werden, womit wir uns an späterer Stelle noch näher beschäftigen werden.

 

Nachtrag:

Per PN bin ich noch auf eine ganz besondere Quelle für Kennzahlen hingewiesen worden, vielen Dank(!):

 

Zitat

EDGAR, the Electronic Data Gathering, Analysis, and Retrieval system, performs automated collection, validation, indexing, acceptance, and forwarding of submissions by companies and others who are required by law to file forms with the U.S. Securities and Exchange Commission (the "SEC"). The database is freely available to the public via the Internet (Web or FTP).

Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/EDGAR

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6.1 EPS und KGV

 

Es gibt sehr viele Kennzahlen. Meines Erachtens macht es Sinn, mit der wichtigsten zu beginnen. Vor einigen Jahrzehnten zu Zeiten von Warren Buffett´s Lehrmeister Benjamin Graham hätte man wohl das KBV als wichtigste Kennzahl betrachtet. Warum das heute nicht mehr so ist, werde ich später erläutern. Stattdessen wird heute allgemein das KGV als wichtigste Kennzahl erachtet.

 

Das KGV wird errechnet, indem man die Marktkapitalisisierung eines Unternehmens durch deren Gewinn bzw. den Kurs von dessen Aktie durch den Gewinn je Aktie teilt. Der Gewinn je Aktie wird im englischen earnings per share bezeichnet und meist mit EPS abgekürzt. Die englische Abkürzung PE (price/earnings-ratio) für KGV ist im deutschen hingegen weniger gebräuchlich.

 

Wie aussagekräftig ist das KGV und wie hoch ist das "faire" KGV? Wie immer gilt: Es kommt drauf an...

 

Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Angabe eines KGVs für einen gesamten Markt bzw. Index (wichtig für ETF-Anleger) wenig aussagekräftig ist. Denn ein Index setzt sich aus Unternehmen verschiedener Branchen zusammen und jede Branche hat jeweils ein eigenes historisches Durchschnitts-KGV. Des Weiteren ist das KGV bei manchen Branchen unbrauchbar bzw. mit großer Vorsicht zu genießen.

 

Bei Extrem-Zyklikern etwa spricht man mit Blick aufs KGV oft von einem sog. value trap. Schließlich schwanken die Gewinne von Extrem-Zyklikern sehr stark. Geteilter Auffassung kann man diesbezüglich bei Mittel-Zyklikern sein, weil ja auch deren Gewinne schwanken. Ich persönlich würde bei Mittel-Zyklikern Ausreißerjahre nach oben (während eines Boomes) und nach unten (währes eines Crashes) außen vor lassen und ein entspr. bereinigtes (historisches Durchschnitts-)KGV berechnen. Diesem Ansatz folgt auch das Shiller-KGV.

 

Aufzupassen ist ebenfalls bei Finanzwerten. Banken und Versicherungen notieren in der Regel bei einem KGV von 10. Wenn der Kurs jedoch hin und wieder mal einbricht (beispielsweise bei einem Großschadenereignis), passt sich der Kurs dem KGV-technisch sehr oft einfach an. Deshalb sollte bei Finanzwerten und Extrem-Zyklikern immer auch ein Blick aufs KBV geworfen werden und der anti-zyklische Ansatz von Herrn Rothschild befolgt werden:

 

Zitat

„Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen.“

 

Bei weniger zyklischen Werten ist das KGV für gewöhnlich ein guter Anhaltspunkt, allerdings wie gesagt recht branchenspezifisch. So haben Konsumgüter- und Pharmakonzerne historisch betrachtet KGVs zwischen 14 und 18, IT- und Industriekonzerne bei 12 bis 14. Einige Branchenvertreter stechen mitunter jeweils mit höheren KGVs gegenüber ihren Wettbewerbern hervor. Dies kann daran liegen, dass das Unternehmen sich hervortut, z. B. durch starke Marken, eine höhere Robustheit, größeres Wachstum etc.

 

Letzteres ist ein äußerst wichtiger Punkt. Ganz besonders wachstumsstarke Unternehmen haben oftmals KGVs von über 20, manchmal sogar mehr als 30. Hier ist bereits das Wachstum für die nächsten Jahre vorweg eingepreist. Es ist Aufgabe eines Stockpickers abzuschätzen, ob das im konkreten Einzelfall jeweils gerechtfertigt ist. Unter Umständen schreibt ein Wachstumsunternehmen lediglich geringe Gewinne, so dass das KGV astronomisch hoch ist (z. B. Amazon und Facebook) oder es werden nicht selten auch gar keine Gewinne, sondern Verluste geschrieben. In diesen Fällen handelt es sich um eine Wette darauf, dass das Unternehmen später mal Gewinne schreibt. Hier empfiehlt es sich, sich das Umsatzwachstum (und ergo das KUV) sowie die operative Marge anzuschauen (und mit ähnlichen Unternehmen zu vergleichen).

 

Ich würde jedem Anleger empfehlen, das KGV eines Unternehmens selbst zu berechnen (im Idealfall das um Sondereffekte bereinigte KGV bzw. EPS). Entsprechende Angaben bei (kostenlosen) Finanzportalen sind oft fehlerhaft bzw. uneinheitlich. Mal bezieht sich das KGV auf den aktuellen Kurs bzw. auf den letzten Tag des vergangenen Geschäftsjahres bzw. auf den Gewinn des letzten Geschäftsjahres. An der Börse wird aber die Zukunft gehandelt. Deswegen sollte der aktuelle Kurs mit den prognostizierten EPS der nächsten Jahre verglichen werden. Je weiter die Zukunft entfernt ist, desto schwieriger ist es, über sie Prognosen zu treffen. Nach Aussage von Ken Fisher macht es keinen Sinn, weiter als 30 Monate in die Zukunft zu schauen. Von daher würde ich den prognostizierten EPS bzw. KGVs für das letzte, fürs laufende und für die nächsten beiden Geschäftsjahr bezogen auf den aktuellen Aktienkurs die größte Bedeutung beimessen.

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6.2 Buchwert und KBV

 

Kommen wir zu einer weiteren wichtigen Kennzahl, nämlich dem Buchwert, welcher Hand in Hand mit dem KBV geht. Das KBV ist nichts anderes als der Faktor, den der Aktionär beim Kauf einer Aktie gemessen am Buchwert der Aktie bezahlt. Doch was ist der Buchwert eigentlich(?):

 

Zitat

Der Begriff ist nicht einheitlich definiert. Nach einer gängigen Definition entspricht der Buchwert dem Wert des in der Bilanz ausgewiesenen Eigenkapitals. Nach einer anderen Definition entspricht der Buchwert dem Anlagevermögen in der Bilanz. Der Buchwert soll die Substanz eines Unternehmens widerspiegeln.

Quelle

 

Wikipedia bietet uns noch eine weitere Gleichung:

 

Zitat

Buchwert = Anschaffungs- oder Herstellungskosten + Zuschreibungen - Abschreibungen

 

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, den Buchwert zu bestimmen. Da es nicht die eine Methode für dessen Berechnung gibt und die Erläuterung von dessen (verschiedenen) Berechnung(en) auch den Rahmen an dieser Stelle sprengen würde, verweise ich hierzu auf die einschlägigen Quellen.

 

Aus der Sicht eines Aktionärs stellt sich ja auch vielmehr die Frage, wie aussagekräftig ist der Buchwert eines Unternehmens und welches KBV ist bewertungstechnisch angemessen? Nun, wie schon anderweitig oft angesprochen, ist das branchenspezifisch jeweils recht unterschiedlich. Im Immobilienbereich (hier spricht man vom Nettoinventarwert/NAV) oder bei Finanzwerten (Banken und Versicherungen - bei Kreditkartenanbietern und Vermögensverwaltern sieht es anders aus) liegt das KBV oft bei 1,0. Notiert so eine Aktie (deutlich) unter 1,0, ist sie billig - notiert sie (deutlich) über 1,0, ist sie teuer.

 

Kann man deshalb bei offensichtlichen Unterbewertungen bezüglich KBVs beherzt zugreifen? Wie so oft gilt: Es kommt drauf an! Speziell bei Immobilienaktien könnte ein KBV (deutlich) unter 1,0 auf mögliche Abschreibungen hindeuten. Und in der (nicht nur) jüngeren Vergangenheit war zu beobachten, dass beispielsweise Aktien von einigen Energieversorgern und Fluglinien deutlich (!) unterhalb ihres Buchwertes notierten. Hier waren so einige mögliche Schwierigkeiten schon vorab eingepreist. Für Turnaround-Spekulanten zwar durchaus interessant, nicht jedoch für Value-Investoren. Turnaround-Spekulanten und Zigarettenenstummel-Jäger wie Benjamin Graham sollten hierbei berücksichtigen, dass im worst case der Abschreibebedarf eventuell noch gar nicht stark genug eingepreist ist.

 

Warren Buffett war ein Schüler von Benjamin Graham. Charlie Munger lehrte allerdings Warren Buffett später, man solle nicht bloß auf den Buchwert eines Unternehmens achten. Stattdessen "sei es besser, einen fairen Preis für ein großartiges Unternehmen zu bezahlen als einen großartigen Preis für ein faires Unternehmen". Dieser "faire Preis" kann durchaus (deutlich) über dem Buchwert liegen. Hier ist das KGV eine wesentlich bessere Kennzahl. Zum einen ist das KGV unter Berücksichtigung der Ausschüttungsquote der Kehrwert der Dividendenrendite (für Dividendenjäger relevant), zum anderen ist gerade bei wachstumsstarken Unternehmen KGV-technisch bereits viel vorweg eingepreist (siehe letzter Post).

 

Aber was sollte man etwa auch bei einem IT-Unternehmen oder einem Konsumgüterhersteller erwarten? Da fließen im wesentlichen das Barvermögen und die Grundstücke in den Buchwert mit ein. Sicher auch noch die Patente sowie Maschinen. Wobei letztere aber (ganz besonders im schnelllebigen Technologiebereich) recht schnell veraltet und abgeschrieben sind. Interessanter ist da noch der Wert der Markenrechte, welcher jedoch ziemlich schwierig in konkreten Zahlen zu messen (und trotzdem auf gar keinen Fall zu unterschätzen) ist.

 

Ein anderer Anleger, den ich sehr schätze, vertritt den Standpunkt, dass bei Nicht- und Mittel-Zyklikern das KGV die geeignetere Kennzahl ist, bei Extrem-Zyklikern hingegen der Buchwert. Dass das KGV bei Extrem-Zyklikern nur bedingt brauchbar ist, liegt auf der Hand, weil die Unternehmensgewinne je nach Konjunkturlage (sehr stark) schwanken. In diesem Zusammenhang spricht man oft von einem value trap. Banken und Versicherer beispielsweise notieren meist bei einem KGV von 10. Bricht der Gewinn ein, passt sich der Kurs dem einfach an - das KGV bleibt zwar bei 10, der Kurs notiert nun allerdings tiefer. Der Anleger muss damit rechnen, im Falle einer Unternehmenspleite letztlich im Zuge einer Liquidation nur noch den Buchwert zurückzuerhalten. Gleichwohl kann nach meiner Auffassung auch für einen Extrem-Zykliker ein KBV von (deutlich) über 1,0 angemessen sein, wenn eine Pleite trotz Flaute eher unwahrscheinlich ist und bei einer wieder anziehenden Konjunktur mit entspr. steigenden Gewinnen zu rechnen ist.

 

Des Weiteren ist das KBV eine wichtige Kennzahl im Zusammenhang mit der Eigenkapitalquote und der Eigenkapitalrendite. Die Eigenkapitalrendite gibt an, wie sich das Eigenkapital verzinst, was bei einem KBV von 1,0 äußerst aufschlussreich ist. Je niedriger aber die Eigenkapitalquote ist, umso höher fällt in der Regel das KBV aus. Bei KBVs von (weit) über 3,0 ist die Eigenkapitalrendite meines Erachtens kaum noch aussagekräftig. Diesbezüglich weise ich darauf hin, dass Banken und Versicherungen zwar meist zu einem KBV von 1,0 notieren, die Eigenkapitalquote allerdings häufig lediglich im einstelligen Prozentbereich liegt. Diese Unternehmen erreichen durch einen Fremdkapitalhebel eine ansehnliche Eigenkapitalrendite. Deshalb sollte man auch immer einen Blick auf die Gesamtkapitalrendite werfen (falls dieser leverage effect mal nicht mehr greift bzw. in seiner Wirkung nachlässt). Je geringer die Gesamtkapitalrendite eines Unternehmens ist, umso geringer sind dessen Margen, was auf eine wettbewerbsintensive Branche mit niedrigem Burggraben schließen lässt.

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