Flughafen Juli 6, 2013 Walter Schloss (1916-2012) war ein Azubi von Ben Graham. Der (aus Geldmangel) fehlenden Hochschulabschluss hat ihm gut getan, - er hatte nicht die Overconfidence von Diplom-Spezialisten und hinterfragte kritisch seine Gedanken. Als selbständiger Vermögensverwalter habe er es über 47 Jahre auf eine durchschnittliche Performance von 20% p.a. gebracht (16% für seine Investoren). Er folgte wohl der klassischen Graham-Strategie und schreckte dabei auch nicht vor "Zigarettenkippen" zurück. Ich kenne seinen Persönlichkeitsprofil (noch) nicht ausreichend, vermute aber, dass er ein introvertierter Sensoriker war. Anders als z.B. Warren Buffett oder Karl Napf habe er nicht versucht, Prognosen für die Gewinnentwicklung und die Cash-Ströme über die nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte zu rechnen, sondern er leuchtete in die Tiefe der aktuellen Firmenbilanzen und wenn er dort mehr Substanz fand, als der aktuelle Marktpreis, dann kaufte er diese. Kein gutes Langzeitgedächtnis für Zahlen, aber eine gute Fähigkeit, Details der Zahlen präzise zu durchleuchten, - er laß in den Geschäftsberichten auch die Noten. Hauptversammlungen besuchte er übrigens nur, wenn sie bequem um die Ecke statt fanden, mit Vorständen sprach er nicht. Es gibt ein sehr seltenes autobiographisches Buch von ihm, ca. 92 Seiten, welches eine kleine Auflage für Familie und Freunde hatte und das letzte mal auf ebay für ca. 1200 Dollar über die Bühne ging. Da mir sein Investment-Ansatz interessant vorkommt, werde ich versuchen, hier Informationen über ihn und seine Investment-Arbeit zusammenzutragen. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Nudelesser Juli 6, 2013 Da mir sein Investment-Ansatz interessant vorkommt, werde ich versuchen, hier Informationen über ihn und seine Investment-Arbeit zusammenzutragen. Sehr lobenswert! Lese die Geschichten über alte Investment-Legenden auch sehr gern und Walter Schloss gehört da sicherlich dazu. Frage mich allerdings manchmal, ob man daraus etwas Konkretes für heute lernen kann oder ob das nicht eher ein nostalgischer Zeitvertreib ist. Man darf nicht vergessen, dass sich der Großteil der Berufstätigkeit von Schloss zu Zeiten abspielte als es noch nicht einmal Taschenrechner gab und er gerade noch halbwegs den Aufstieg von elektronischen Börsen, Personalcomputern und Internet mitbekommen hat. Es mag gut sein, dass zu seiner Zeit das Lesen von Geschäftsberichten eine sehr lukrative Angelegenheit war. Aber gilt das auch heute? Es wäre schön zu wissen, wie jemand wie Schloss anlegen würde, wenn er 50 Jahre später geboren wäre und sich mit den Herausforderungen von heute herumschlagen müsste. Könnte mir vorstellen, dass seine aktuelle Strategie doch eher in Richtung Jeremy Grantham oder Karl Napf gehen würde... Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Onassis Juli 6, 2013 Habe noch nie von Walter Schloss gehört! Bin aber sehr an den Informationen interessiert Flughafen und habe deswegen das Thema gleich mal abonniert! Flughafen, wünsche mir, das Du an Deinem ersten Beitrag weiter anknüpfen und den Thread am Leben halten kannst! Onassis Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Kaffeetasse Juli 6, 2013 Also mir ist er seit kurzem bekannt, aber es darf gern noch mehr sein an Infos und Anekdoten. Danke, Flughafen. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Herodot Juli 6, 2013 Schloss hat mit Buffett bei Graham gearbeitet. Buffett erwähnt ihn öfters. Er war wohl im Gegensatz zu Buffett extrem diversifiziert. "Walter has diversified enormously, owning well over 100 stocks currently. He knows how to identify securities that sell at considerably less than their value to a private owner.And that’s all he does." Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Kairos Juli 7, 2013 Im Buch "Value Investing" von Bruce Greenwald et al. gibt es ein 13 seitiges Kapital über Walter Schloss und seinen Sohn Edwin. Seine 16 (allgemeinen) Faktoren kennst du wahrscheinlich eh schon. Walter Schloss:16 Factors needed to make money in the stock market: Walter Schloss-Investing-Lessons.pdf Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Flughafen Juli 8, 2013 Das rege Interesse an dem Thema und die Mithilfe beim Zusammentragen der Informationen freut mich, danke! Mich fasziniert an dem Mann nicht nur sein Erfolg (er verbrachte die letzten Jahre seines Lebens im eigenen Penthaus mit Blick aufs Central Park), sondern wie gut und harmonisch er das Privatleben mit seiner Arbeit im Einklang gelebt hat. Ich bin mir nicht sicher, dass sich sein Investment-Ansatz in Internet- und PC-Zeiten umsetzen läßt, schließlich kommt man heute an ein Notebook leichter ran, als an eine Schreibmaschine. (Das war ein Witz) Das Internet bringt auf jeden eine gewaltige Informationsmenge, nicht nur zum neuen Outfit der Freundin, sondern auch zu den Firmen, Märkten etc. Ich behaupte aber, dass es nicht auf die Informationsmenge allein ankommt, sondern auf die persönliche Fähigkeit, die Informationen gewinnbringend zu filtern und zu verarbeiten. Unten ist ein Beispiel, wie er mit Rohstoffen umgegangen ist, - die für seinen Erfolg unnötige Informationen hat er bewusst ignoriert. Das Thema „Wie gehe ich mit Rohstoffen bei Bewertungen von Rohstofffirmen um? Muss ich versuchen, die Nachfrage und die Preisentwicklung einzuschätzen?“ ist doch eigentlich top aktuell. Lebenslauf 1934 Walter Schloss bekommt seinen ersten Job an der Wall Street, als Laufbursche. Er bewarb sich bei einer Brockerfirma für eine Ausbildungsstelle zum Analysten. Sein Bewerbungs-Gesuch wurde abgelehnt, aber man gab den Tip, das "Security Analysis" von Ben Graham zu lesen. Walter Schloss ließt das Buch und belegt zwei Kurse von Graham. 1941 Walter geht in die Army 1946 Nach dem Krieg bewirb er sich bei Graham-Newman und bekommt den Job eines Security Analysts. Seine erste Aufgabe war es den 10-Jahres-Report der Firma aufzubereiten. 1955 Ben Graham geht in die Rente. Walter Schloss startet seinen eigenen Fonds. Zwischen 1956 und 2000 bringt er für die Investoren 15,7% p.a. Der Markt macht in dieser Zeit 11,2% p.a. 1973 Sein Sohn Edwin Schloss kommt dazu und sie arbeiten zu zweit. 2001 Walter und Edwin Schloss können keine unterbewertete Aktien mehr finden und schließen den Fonds. Walter geht in Rente. Investment-Philosophie Offiziell hielt sich Walter ans Value Investment nach Benjamin Graham. Seine Besonderheit soll eine Vorliebe für Stocks gewesen sein, die am Jahres- oder lieber am 3-Jahrestief notieren. Bei Stockopedia gibt es einen Walter Schloss Screen, der folgendes abcheckt: 1. Ist das Papier nah am Jahrestief? Wenn nah am 2- oder 3-Jahrestief, umso besser, -> könnte ein Hinweis auf ein Schnäppchen sein. Walter und Edwin haben Listen mit neuen Tiefs studiert. 2. Keine langfristigen Schulden? Walter wollte Risiken aus Schulden nicht eingehen. 3. Preis unter Buchwert? Buffett sagte, dass Schloss “doesn’t worry about whether it’s January…whether it’s Monday…whether it’s an election year. He simply says if a business is worth a dollar and I can buy it for 40 cents, something good may happen”. Wobei das nur besagt, dass Schloss sich nicht im Timing versuchte. Dafür hat er die Buchwerte der gekauften Firmen sehr detailliert durchleuchtet. Er laß die kompletten Jahresberichte incl. Fußnoten bis zu 20 Jahren zurück, unter anderem um ein gutes Gefühl zu bekommen, wie sicher sind die ausgewiesenen Buchwerte. Auslandsfirmen interessierten ihn nicht, weil er z.B. bei japanischen Firmen kein sicheres Gefühl aus ihren Berichten bekommen konnte. Es kam vor, dass er englische Firmen kaufte, aber ungern. Er sagte, dass er der Politik anderer Länder nicht traut und dass ihm das Wissen über das Umfeld fehlt, in dem diese Firmen operieren. Anhang dieser Informationen vermute ich, dass er Firmen wie E.ON und RWE aktuell nicht gekauft hätte, das politische Umfeld ist für sie negativ. Leider fehlen viele Detailinformationen über seine damaligen Transaktionen, um daraus nützliche Schlüsse zu ziehen. 4. Sind Insider nennenswert am Geschäft beteiligt? Walter legte Wert darauf, dass die Firmenchefs am Unternehmen selbst auch nennenswert beteiligt waren. 5. Wie entwickeln sich die Gewinne über die Zyklen? Er studierte die Jahresberichte bis zu 20 Jahren zurück vermutlich um einen Eindruck zu bekommen, wie die Firma und das Management über die Zyklen wirtschaftet und sich der Buchwert entwickelt. Anders als Warren Buffett versuchte er nicht, die Business-Qualitäten einer Firma und des Managements einzuschätzen, das überforderte ihn. Auch extrem komplexe Bilanzen wie bei Banken und Versicherungen, mit denen sich Buffett pudelwohl fühlt, hat Schloss wohl gemieden. Timing war auch nicht sein Ding. Z.B. er hat mal einen Kupferminenbetreiber (Asarco) erworben und man hat ihn dazu gefragt: FRAGE: Sind Sie bei Rohstoffen überhaupt involviert und wenn ja, sehen die Silber unterbewertet? SCHLOSS: Wissen Sie, Ich habe keine Vorstellung von irgendeinem Rohstoff oder wohin sie sich entwickeln und Asarco ist eine Kupfer-Rohstofffirma. Aber ich denke, die Aktie ist billig wegen ihres Preises, nicht unbedingt weil ich weiß, wohin die Kupfer- oder sogar die Silber-Preise gehen. Ich habe keine Vorstellung zu irgendeinem dieser Dinge. Das spart mir eine Menge Zeit. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
dankenichts Juli 9, 2013 · bearbeitet Juli 9, 2013 von dankenichts Anhang dieser Informationen vermute ich, dass er Firmen wie E.ON und RWE aktuell nicht gekauft hätte, das politische Umfeld ist für sie negativ. Leider fehlen viele Detailinformationen über seine damaligen Transaktionen, um daraus nützliche Schlüsse zu ziehen. Die Antwort ist eindeutig. 2. Keine langfristigen Schulden? Walter wollte Risiken aus Schulden nicht eingehen. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
35sebastian Juli 9, 2013 Wenn man über den Walter Schloss - Nomen est omen- nicht so viel weiß und auch nichts über seine Transaktionen, dann ist es vermessen zu sagen, dass er Eon Und Rwe nicht gekauft hätte. Er ist ja auch schon so lange tot. Und wer das doch so gut weiß, was er getan hätte, was hätte er denn jetzt gekauft. Beim oberflächlichen Lesen habe ich herausgehört, dass Walter sich vor allem mit den Aktien beschäftigt hat, die auf Jahres- oder Mehrjahrestief standen. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Gast240416 Juli 9, 2013 Moin Flughafen, das Thema ist eine nette Idee. Betrachtungen und Anekdoten dieser Art haben mich vor vielen Jahren überhaupt erstmal an die Thematik Börse herangeführt. Damals mit den alten Kostolany-Büchern. Allerdings ist es ein bischen wie mit der "Tellerwäscher zum Millionär"- Geschichte. Bücher (oder Threads) werden selten über die geschrieben, die Tellerwäscher blieben oder vom "Millionär zum Tellerwäscher" wieder zurückkamen. Tja, was würde er heute machen? 2001 Walter und Edwin Schloss können keine unterbewertete Aktien mehr finden und schließen den Fonds. Walter geht in Rente. Ich nehme mal an, Edwin ist deshalb passiver Indexer geworden? Sommerliche Grüße Cef Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag