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Moneycruncher

Portfolio und Abgeltungssteuer

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Moneycruncher

Hallo zusammen,

 

in vielen Depots liegen Wertpapiere, die vor dem 1.1.2009 gekauft wurden und somit abgeltungssteuerfrei sind. Bei mir stammt z.B. der komplette Bestand an Aktienfonds aus 2008 und älter. Ich stelle nun folgende Überlegung an: eigentlich haben doch diese Anteile eine (latent) höhere Gewichtung im Depot , da ihr Wert nach Steuern höher ist als der von Anteilen ab 2009.

 

Wenn z.B. meine Zielgewichtung von Aktienanteilen "regulär" 60% beträgt, müsste ich real eine niedrigere Gewichtung ansetzen, sofern diese Anteile steuerfrei sind. Ist das Unfug oder nachvollziehbar?

 

gruß, moneycruncher

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Bärenbulle

Hallo zusammen,

 

in vielen Depots liegen Wertpapiere, die vor dem 1.1.2009 gekauft wurden und somit abgeltungssteuerfrei sind. Bei mir stammt z.B. der komplette Bestand an Aktienfonds aus 2008 und älter. Ich stelle nun folgende Überlegung an: eigentlich haben doch diese Anteile eine (latent) höhere Gewichtung im Depot , da ihr Wert nach Steuern höher ist als der von Anteilen ab 2009.

 

Wenn z.B. meine Zielgewichtung von Aktienanteilen "regulär" 60% beträgt, müsste ich real eine niedrigere Gewichtung ansetzen, sofern diese Anteile steuerfrei sind. Ist das Unfug oder nachvollziehbar?

 

gruß, moneycruncher

Unfug. Die agst anteile solltest du nicht verkaufen. Sie sind somit fix. Mit dieser restriktion solltest du einfach weiter rebalancen. Das ist steueroptimal und vom erwartungswert am effizientesten. Nerven behalten!

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Basti

Aktienanteil vor 2009 -> Brutto (vor Steuern) = Netto

 

Aktienanteil nach 2009 -> Brutto - Steuern = Netto

 

und dann ins Verhältnis setzen (entweder die Brutto- oder die Nettowerte)

 

da ein Teil schon steuerfrei ist, kannst du ja den "jüngeren" Aktienanteil auch abzgl. Steuer rechnen und dann die 60% damit ansetzen...

 

 

oder hab ich da jetzt was falsch an der Frage verstanden :blushing:

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ceekay74

Wenn Du die Abgeltungssteuer in Deiner Asset Allokation berücksichtigen möchtest, würde ich alles "nach Steuer" betrachten und somit die Abgeltungssteuer fiktiv von allen Depotpositionen mit Buchgewinnen abziehen.

 

Was machst Du dann aber mit Buchverlusten? Rechnest Du die gedanklich wieder hinzu, da die Verluste ja eventuell verrechenbar sind? Ist das Risiko einer Depotposition höher wenn Buchgewinne oder wenn Buchverluste aufgelaufen sind oder bleibt es unabhängig von Steuereffekten gleich?

 

Ich mache es mir da leicht und mixe einfach versteuerte mit unversteuerten Anlagen, da das Depot-Risiko m.M.n. unabhängig von Steuereffekten ist.

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harryguenter
· bearbeitet von harryguenter

So einfach ist es ja nicht. Es ist ja nicht der komplette Anteil sondern die (etwaigen!) Kursgewinne darin steuerfrei.

 

Man kann die Depotgewichtung natürlich beliebig komplex machen.

- z.B. durch rausrechnen der zu erwartenden Steuern (jede Position individuell?)

- z.B. durch rausrechnen der zu erwartenden Ausschüttungen (Dividendenanteil)

- z.B. durch rausrechnen von Liquiditätsanteilen aus dem Wert einer Aktie, da dies ja strenggenommen auch ein aderes Asset im Mantel einer Aktie ist.

 

Steuergesetzgebung ist dazu eine schlechte Konstante und auf "Bestandsschutz" würde ich in Zeiten klammer öffentlicher Kassen keinen Pfifferling geben.

 

Beispiel:

Aktie A / Risikoklasse 3 / Wert 10.000 davon 1000 steuerfreie Kursgewinne

Aktie B / RK 3 / Wert 10.000 davon 4000 steuerpflichtige Kursgewinne

Tagesgeld / RK R1 / Wert 20.000

 

Wunschassetaufteilung ist 50:50.

So wie ich den Ausgangspost verstanden habe würde ich jetzt in meine Assetbewertung die Position 1 aufwerten oder alternativ 2 abwerten. Gehen wir davon aus ich werte Aktie B wegen zu erwarteneder AbGSt (25% statt ~28 zur vereinfachung) um 1000 an. Also bleibt mir für meine Assetbetrachtung mit "Nettowerten":

Aktie A / Wert 10000

Aktie B / Wert 9000 (aktuell um 1000 diskontiert)

Tagesgeld / Wert 20000

50% Anteil wäre 19500.

 

Will ich jetzt wirklich 500 EUR vom RK 1 Kapital in RK 3 Kapital umschichten? Das Risiko bleibt mir doch dort, so dass Aktie B morgen pleite gehen könnte.

Die Bruttobetrachtung scheint also eher zu einem defensiveren Ansatz zu führen. Das wäre mir im Zweifelsfalle lieber.

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vanity
· bearbeitet von vanity

... Ich mache es mir da leicht und mixe einfach versteuerte mit unversteuerten Anlagen, da das Depot-Risiko m.M.n. unabhängig von Steuereffekten ist.

Der Ansatz ist zwar pragmatisch, aber die Aussage stimmt so nicht.

 

Eine Depot-Position (oder Depot im Gesamten), welche(s) nicht der AgSt unterliegt, hat ein höheres Risiko, sowohl im Sinne von max. Drawdown als auch im Sinne von Volatilität, gegenüber Depot-Positionen, deren Gewinne/Verluste zu versteuern sind.

 

Die latente Steuer wirkt dämpfend. Wer es technisch auf die Reihe bekommt, macht sicher nichts verkehrt, wenn er dies in seiner Allokation berücksichtigt (es ist immerhin ein Faktor 3/4). Insofern ist die Nachfrage von Moneycruncher kein Unfug.

 

Nachtrag:

Wenn die Zielgröße der AA die zu erwartende Vola ist und wir (vereinfacht) von diesen Zahlen

 

Vola RK1 0% (vor und nach Steuern)

Vola RK3 20% (vor Steuern), 15% (nach Steuern)

Zielvola 10% (nach Steuern)

 

ausgehen, dann würde im Falle eine AgSt-freien RK3 eine 50/50-Aufteilung das gewünschte Ergebnis bringen, während bei voll steuerbarem RK3 dessen Anteil auf Zweidrittel erhöht werden könnte (1. vereinfacht und 2. wird natürlich bei dieser Betrachtung vorausgesetzt, dass erlittene Verluste irgendwann auch mit Gewinnen verrechnet werden können - das Steuerrecht ist da nicht ganz symmetrisch).

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Moneycruncher

... Ich mache es mir da leicht und mixe einfach versteuerte mit unversteuerten Anlagen, da das Depot-Risiko m.M.n. unabhängig von Steuereffekten ist.

Der Ansatz ist zwar pragmatisch, aber die Aussage stimmt so nicht.

 

Eine Depot-Position (oder Depot im Gesamten), welche(s) nicht der AgSt unterliegt, hat ein höheres Risiko, sowohl im Sinne von max. Drawdown als auch im Sinne von Volatilität, gegenüber Depot-Positionen, deren Gewinne/Verluste zu versteuern sind.

 

Die latente Steuer wirkt dämpfend. Wer es technisch auf die Reihe bekommt, macht sicher nichts verkehrt, wenn er dies in seiner Allokation berücksichtigt (es ist immerhin ein Faktor 3/4). Insofern ist die Nachfrage von Moneycruncher kein Unfug.

 

Nachtrag:

Wenn die Zielgröße der AA die zu erwartende Vola ist und wir (vereinfacht) von diesen Zahlen

 

Vola RK1 0% (vor und nach Steuern)

Vola RK3 20% (vor Steuern), 15% (nach Steuern)

Zielvola 10% (nach Steuern)

 

ausgehen, dann würde im Falle eine AgSt-freien RK3 eine 50/50-Aufteilung das gewünschte Ergebnis bringen, während bei voll steuerbarem RK3 dessen Anteil auf Zweidrittel erhöht werden könnte (1. vereinfacht und 2. wird natürlich bei dieser Betrachtung vorausgesetzt, dass erlittene Verluste irgendwann auch mit Gewinnen verrechnet werden können - das Steuerrecht ist da nicht ganz symmetrisch).

 

Vielen Dank für die wenigen, aber wirklich guten Antworten! Sie zeigen mir zumindest, dass mein Gedankengang nicht abwegig ist. Wahrscheinlich werde ich pragmatisch vorgehen. Was "pragmatisch" konkret bedeutet, muss ich mir noch überlegen.

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harryguenter
· bearbeitet von harryguenter

Die latente Steuer wirkt dämpfend. Wer es technisch auf die Reihe bekommt, macht sicher nichts verkehrt, wenn er dies in seiner Allokation berücksichtigt (es ist immerhin ein Faktor 3/4). Insofern ist die Nachfrage von Moneycruncher kein Unfug.

Stimme der "dämpfung" prinzipiell zu. Der Einfluß ist meiner Meinung nur deutlich kleiner. Es wird ja nur der Gewinnanteil einer Position besteuert. Damit ist der Faktor eher 0.9 als 0.75 wenn ich vanity richtig verstanden habe.

 

Ich hoffe nicht, dass ich die Ausgangsfrage als "Unfug" dargestellt habe. Ich wollte nur gesagt haben, dass mal die Assetallokation auch durch diesen aber auch weitere Faktoren sehr komplex werden lassen kann.

Es würde sich bestimmt lohnen über die verschiedenen "Fehlerquellen" einmal nachzudenken und möglichst deren maximale / wahrscheinlich Auswirkung auf eine Fehlallokation abzuschätzen.

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ceekay74

... Ich mache es mir da leicht und mixe einfach versteuerte mit unversteuerten Anlagen, da das Depot-Risiko m.M.n. unabhängig von Steuereffekten ist.

Der Ansatz ist zwar pragmatisch, aber die Aussage stimmt so nicht.

 

 

Im Prinzip stimme ich mit vanity und harryguenter überein, was den "dämpfenden Effekt" der latenten Steuer auf Buchgewinne und -verluste betrifft.

 

Wenn man davon ausgeht, dass man um die Abgeltungsteuer auch in Zukunft nie herum kommt, würde ich die latenten Steuern auf unrealisierte Gewinne und Verluste sowohl als Erstattung wie auch auf der Nachzahlungsseite in der Asset Allokation berücksichtigen, quasi als fiktiver Wash Sale.

 

Sollte es aber z.B. durch Eintritt ins Rentenalter oder andere einkommenschwache Zeiten zukünftig möglich sein, die Buchgewinne ohne bzw. mit geringerer Steuerbelastung zu realisieren, würde ich die fiktiven Steuern nicht berücksichtigen.

 

Eben diese "Fortführungsprämisse" unterstelle ich für die Buchgewinne in meiner Asset Allokation und muss damit weniger rechnen.

 

@Moneycruncher: Wenn Du Deine "pragmatische Vorgehensweise" gefunden hast, würde mich Deine Lösung interessieren.

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Bärenbulle
· bearbeitet von Bärenbulle

Insofern ist die Nachfrage von Moneycruncher kein Unfug.

 

Nachzufragen ist sicher kein Unfug von Moneycruncher. Es ist sogar eine sehr intelligente und spannende Frage. Ich hoffe meine Antwort wirkte nicht zu "harsch".

Er hatte nur gefragt, ob seine Schlussfolgerung "Unfug" ist. Und das ist Sie mMn, denn die Aktienquote niedriger anzusetzen dürfte in den meisten Fällen kontraproduktiv sein. Du hast es ja eigentlich schon erklärt. Eine Umschichtung in risikoarme Assets ist bei AGSt-Depots die mit voll ausgeschöpfter Aktienallokation starten in der Regel nicht sinnvoll.

 

Ich habe mal folgende einfachen Fälle durchgespielt, da die Auswirkungen schon recht interessant sind.

 

Annahmen (relativ realistisch)

- Zielallokation ist 50%: 50% (RK3:RK1)

- RK3 Renditeerwartung 10% nominal; Risiko =Max DD 30% (z.B. Aktien)

- RK1 Renditeerwartung 3% nominal; Risiko = Max DD 0% (Risikofreie Anlage)

- Die Allokation RK3 50 TEUR: RK1 50TEUR bestand zum Jahreswechsel 2009 => beide Positionen sind AGSt.-frei

- Das Start-Porfolio hat eine Renditeerwartung von 6,5% bei einem MaxDD-Risiko von 15% was genau die persönlichen Präferenzen des Investors wiederspiegelt.

- nach 2009 bis heute wurden nochmal 40 TEUR investiert, welche nun steuerbar sind

 

Nun stehen dem Investor weitere 30 TEUR frisches Geld für eine Rebalancing zur Verfügung. Was soll er tun?

 

Fall1: In diesem Fall hat sich RK3 (z.B. nach 5 Jahren) sehr positiv entwickelt und ist von 50 TEUR auf 100 TEUR gestiegen. RK1 hat sich von 50TEUR um 20% erhöht auf 60 TEUR. Die 40 TEUR, die in der Vergangenheit zur Verfügung standen, wurden immer in RK1 angelegt, so dass möglichst die Zielallokation von 50:50% genau gehalten werden konnte (100TEUR:100TEUR). Die Steuerbarkeit der in der Vergangenheit investierten 40 TEUR drückt die Renditeerwartung von ursprünglich 6,5% auf 6,35%. Das Risiko der RK3-Position ändert sich aber nicht, da RK3 immer noch zu 100% AGSt-befreit ist und daher kein Steuerdämpfungseffekt auftritt.

=> In diesem Falls ist es für den Anleger rational die 30 TEUR in RK3 zu investieren, um das abgesunkene Renditeprofil wieder auf die Zielpräferenz zu bringen. Durch die 30 TEUR besteuerbarem Kapital in RK3 wird, die MaxDD-Gefahr der RK3-Position auf 25,7% gedämpft. Das Risikoprofil des Gesamtportfolios sinkt dadurch trotz einer agressiven Investition zu 100% in RK3 und einem RK3-Tilt von 56,5%:43,5% nun unter die ursprüngliche Risikopräferenz von 15%. Das ist der positive Vanity-Effekt. Und der Investor ist in jedem Fall in einer komfortableren Situation als zum Zeitpunkt der AGSt-Depotauflegung. Will er das Risiko bei 15% halten kann er sogar durch eine kleine zusätzliche Umschichtung in RK3 die Renditeerwartung von ursprünglich 6,5% auf 6,74% erhöhen.

 

post-12435-0-67235700-1339088535_thumb.jpg

 

Fall 2: Dieser Fall ist das genaue Gegenteil zu Fall1: Die Aktien sind nach einem Jahrhundertcrash auf nur noch 20 TEUR reduziert, so dass die 40 TEUR in der Vergangenheit ausschliesslich in RK3 angelegt wurden und dort steuerbar sind. RK 1 verhält sich wie in Fall 1 und wächst abgeltungsteuererfrei auf 60 TEUR. Wieder wurde so die 50:50-Allocation gehalten (60TEUR:60TEUR). Renditeerwartung und Risiko sind nun aber stark gesunken. Jetzt kommt es darauf an, was dem Anleger wichtiger ist. Will er das Renditeprofil seines Gesamtportfolios von 6,5% halten, dann muss er die frischen 30 TEUR zu 100% in RK3 investieren. Selbst dann schafft er es nicht ganz seine Renditepräferenz zu erreichen, ohne die AGst-freie RK1 Position zu verkaufen. Will er seine Risikopräferenz von 15% erreichen, dann muss er immer noch den Großteil der 30 TEUR in RK3 investieren und nur einen kleinen Teil in RK1. Damit hat er zwar sein Zielrisiko erreicht, aber er muss sich von der Zielrendite verabschieden. Im Gegensatz zu Fall 1 gilt also für den Investor "Pest" oder "Collera". Trotzdem muss vornehmlich in RK3 investiert werden.

 

Fall 3: In diesem Fall hatten sich die Assetklassen in der Vergangenheit in etwa gemäß Ihrem Erwartungswert entwickelt. Das Ergebnis ähnelt daher stark dem Fall 1. Allerdings muss man bei angestrebtem Renditeerhalt anders als bei Fall 1 bereits aus aus der steuerbaren RK1-Position verkaufen und in RK3 umschichten. Auch hier sollte also in RK3 investiert werden.

 

Fall 4 ist eine Sonderfall. Allerdings ist er vermutlich gar nicht so selten in der Praxis anzutreffen. Ich gehörte auch dazu. Es wurde in 2009 mit 100% Aktien gestartet, um den AGST-Vorteil zu maximieren. Die Aktien haben sich seitdem positiv entwickelt (ist aber eigentlich unerheblich). Jedenfalls wurden die 40TEUR in der Vergangenheit in jedem Fall in RK 1 investiert. Rebalanced wird natürlich weiter in RK1.

Die Zielallokation von 50:50 ist (den)noch nicht erreicht. In dem Fall bleibt dem Anleger nichts anderes übrig als eine höheres Risiko zu akzeptieren, da er den AGSt.-Anteil vermutlich nicht anrühren will (aus den selben Gründen wie beim Start in 2009).

 

Fall 4b: Wenn dem Investor in Fall 4 die Nerven durchgehen, dann kann er aber aus der AGSt--Position RK3 verkaufen. Effizient ist das aber wohl nicht, da er für die verkaufte Position den AGSt-Vorteil aufgibt. Hier wäre es effizienter Shorts zu verwenden, um das Risiko zu senken. D.h. Fall 4b ist in jedem Fall ineffizient. Das war übrigens auch in meinem - zugegeben etwas knappen - Post oben gemeint. Zumindest hatte ich angenommen, dass dies in etwa Moneycrunchers Situation entsprach.

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Moneycruncher

Insofern ist die Nachfrage von Moneycruncher kein Unfug.

 

Nachzufragen ist sicher kein Unfug von Moneycruncher. Es ist sogar eine sehr intelligente und spannende Frage. Ich hoffe meine Antwort wirkte nicht zu "harsch".

Er hatte nur gefragt, ob seine Schlussfolgerung "Unfug" ist. Und das ist Sie mMn, denn die Aktienquote niedriger anzusetzen dürfte in den meisten Fällen kontraproduktiv sein. Du hast es ja eigentlich schon erklärt. Eine Umschichtung in risikoarme Assets ist bei AGSt-Depots die mit voll ausgeschöpfter Aktienallokation starten in der Regel nicht sinnvoll.

 

Ich habe mal folgende einfachen Fälle durchgespielt, da die Auswirkungen schon recht interessant sind.

 

Annahmen (relativ realistisch)

- Zielallokation ist 50%: 50% (RK3:RK1)

- RK3 Renditeerwartung 10% nominal; Risiko =Max DD 30% (z.B. Aktien)

- RK1 Renditeerwartung 3% nominal; Risiko = Max DD 0% (Risikofreie Anlage)

- Die Allokation RK3 50 TEUR: RK1 50TEUR bestand zum Jahreswechsel 2009 => beide Positionen sind AGSt.-frei

- Das Start-Porfolio hat eine Renditeerwartung von 6,5% bei einem MaxDD-Risiko von 15% was genau die persönlichen Präferenzen des Investors wiederspiegelt.

- nach 2009 bis heute wurden nochmal 40 TEUR investiert, welche nun steuerbar sind

 

Nun stehen dem Investor weitere 30 TEUR frisches Geld für eine Rebalancing zur Verfügung. Was soll er tun?

 

Fall1: In diesem Fall hat sich RK3 (z.B. nach 5 Jahren) sehr positiv entwickelt und ist von 50 TEUR auf 100 TEUR gestiegen. RK1 hat sich von 50TEUR um 20% erhöht auf 60 TEUR. Die 40 TEUR, die in der Vergangenheit zur Verfügung standen, wurden immer in RK1 angelegt, so dass möglichst die Zielallokation von 50:50% genau gehalten werden konnte (100TEUR:100TEUR). Die Steuerbarkeit der in der Vergangenheit investierten 40 TEUR drückt die Renditeerwartung von ursprünglich 6,5% auf 6,35%. Das Risiko der RK3-Position ändert sich aber nicht, da RK3 immer noch zu 100% AGSt-befreit ist und daher kein Steuerdämpfungseffekt auftritt.

=> In diesem Falls ist es für den Anleger rational die 30 TEUR in RK3 zu investieren, um das abgesunkene Renditeprofil wieder auf die Zielpräferenz zu bringen. Durch die 30 TEUR besteuerbarem Kapital in RK3 wird, die MaxDD-Gefahr der RK3-Position auf 25,7% gedämpft. Das Risikoprofil des Gesamtportfolios sinkt dadurch trotz einer agressiven Investition zu 100% in RK3 und einem RK3-Tilt von 56,5%:43,5% nun unter die ursprüngliche Risikopräferenz von 15%. Das ist der positive Vanity-Effekt. Und der Investor ist in jedem Fall in einer komfortableren Situation als zum Zeitpunkt der AGSt-Depotauflegung. Will er das Risiko bei 15% halten kann er sogar durch eine kleine zusätzliche Umschichtung in RK3 die Renditeerwartung von ursprünglich 6,5% auf 6,74% erhöhen.

 

post-12435-0-67235700-1339088535_thumb.jpg

 

Fall 2: Dieser Fall ist das genaue Gegenteil zu Fall1: Die Aktien sind nach einem Jahrhundertcrash auf nur noch 20 TEUR reduziert, so dass die 40 TEUR in der Vergangenheit ausschliesslich in RK3 angelegt wurden und dort steuerbar sind. RK 1 verhält sich wie in Fall 1 und wächst abgeltungsteuererfrei auf 60 TEUR. Wieder wurde so die 50:50-Allocation gehalten (60TEUR:60TEUR). Renditeerwartung und Risiko sind nun aber stark gesunken. Jetzt kommt es darauf an, was dem Anleger wichtiger ist. Will er das Renditeprofil seines Gesamtportfolios von 6,5% halten, dann muss er die frischen 30 TEUR zu 100% in RK3 investieren. Selbst dann schafft er es nicht ganz seine Renditepräferenz zu erreichen, ohne die AGst-freie RK1 Position zu verkaufen. Will er seine Risikopräferenz von 15% erreichen, dann muss er immer noch den Großteil der 30 TEUR in RK3 investieren und nur einen kleinen Teil in RK1. Damit hat er zwar sein Zielrisiko erreicht, aber er muss sich von der Zielrendite verabschieden. Im Gegensatz zu Fall 1 gilt also für den Investor "Pest" oder "Collera". Trotzdem muss vornehmlich in RK3 investiert werden.

 

Fall 3: In diesem Fall hatten sich die Assetklassen in der Vergangenheit in etwa gemäß Ihrem Erwartungswert entwickelt. Das Ergebnis ähnelt daher stark dem Fall 1. Allerdings muss man bei angestrebtem Renditeerhalt anders als bei Fall 1 bereits aus aus der steuerbaren RK1-Position verkaufen und in RK3 umschichten. Auch hier sollte also in RK3 investiert werden.

 

Fall 4 ist eine Sonderfall. Allerdings ist er vermutlich gar nicht so selten in der Praxis anzutreffen. Ich gehörte auch dazu. Es wurde in 2009 mit 100% Aktien gestartet, um den AGST-Vorteil zu maximieren. Die Aktien haben sich seitdem positiv entwickelt (ist aber eigentlich unerheblich). Jedenfalls wurden die 40TEUR in der Vergangenheit in jedem Fall in RK 1 investiert. Rebalanced wird natürlich weiter in RK1.

Die Zielallokation von 50:50 ist (den)noch nicht erreicht. In dem Fall bleibt dem Anleger nichts anderes übrig als eine höheres Risiko zu akzeptieren, da er den AGSt.-Anteil vermutlich nicht anrühren will (aus den selben Gründen wie beim Start in 2009).

 

Fall 4b: Wenn dem Investor in Fall 4 die Nerven durchgehen, dann kann er aber aus der AGSt--Position RK3 verkaufen. Effizient ist das aber wohl nicht, da er für die verkaufte Position den AGSt-Vorteil aufgibt. Hier wäre es effizienter Shorts zu verwenden, um das Risiko zu senken. D.h. Fall 4b ist in jedem Fall ineffizient. Das war übrigens auch in meinem - zugegeben etwas knappen - Post oben gemeint. Zumindest hatte ich angenommen, dass dies in etwa Moneycrunchers Situation entsprach.

 

Prima Zusammenfassung! :thumbsup: Passt gar nicht zu deinem harschen Eingangsstatement. <_< Ich liege übrigens sehr nahe an Fall 1).

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Bärenbulle
· bearbeitet von Bärenbulle

Mir fällt gerade auf, dass ich die oben dargestellten Effekte übrigens ebenfalls zu groß angesetzt habe, da ich dort die gesamte steuerbare Position mit 25% versteuert habe. Wie harryguenter angemerkt hat wird ja nur die Gewinnposition besteuert. Ein solch extremes Szenario wie oben würde sich also erst nach langer Zeit ergeben, wenn der Gewinn den Löwenanteil an der steuerbaren Position ausmacht.

 

Allerdings ist es sehr schwierig die Besteuerung eines Gewinnanteils in allgemeingültige Annahmen zu gießen, da die Dämpfung sehr stark von der Gewinnentwicklung der steuerbaren Positionen abhängt. Daher habe ich mal die Dämpfung mit folgende Annahme/formel berechnet:

 

Die steuerbare Position enthält nach 5 Jahren einen Gewinnanteil, der sich entsprechend der Renditeerwartung der Assetklasse aufgebaut hat. (Der zu versteuernde Anteil an der Position entspricht dann in etwa der jährlichen Rendite der Assetklasse womit sich einfach rechnen läßt.) Die Tabelle sind dann so aus:

 

post-12435-0-69830700-1339230392_thumb.jpg

 

Zwar entspricht die zugrundegelegte Annahme auch dem Erwartungswert, aber trotzdem können in der Realität die tatsächlichen Gewinnanteile in der steuerbaren Position sehr stark schwanken. Z.B. wäre es nicht ungewöhnlich gar keinen Gewinn bei Aktien erzielt zu haben und somit auch keine Dämpfung zu haben. Oder einen sehr hohen Gewinn, dann tendiert das Beispiel in Richtung meiner weiter zuerst dargestellten Tabelle.

 

Die grundsätzlich dargestellten Effekte / Gewichtungen bleiben, schwächen sich aber ab.

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Moneycruncher

Mir fällt gerade auf, dass ich die oben dargestellten Effekte übrigens ebenfalls zu groß angesetzt habe, da ich dort die gesamte steuerbare Position mit 25% versteuert habe. Wie harryguenter angemerkt hat wird ja nur die Gewinnposition besteuert. Ein solch extremes Szenario wie oben würde sich also erst nach langer Zeit ergeben, wenn der Gewinn den Löwenanteil an der steuerbaren Position ausmacht.

 

Allerdings ist es sehr schwierig die Besteuerung eines Gewinnanteils in allgemeingültige Annahmen zu gießen, da die Dämpfung sehr stark von der Gewinnentwicklung der steuerbaren Positionen abhängt. Daher habe ich mal die Dämpfung mit folgende Annahme/formel berechnet:

 

Die steuerbare Position enthält nach 5 Jahren einen Gewinnanteil, der sich entsprechend der Renditeerwartung der Assetklasse aufgebaut hat. (Der zu versteuernde Anteil an der Position entspricht dann in etwa der jährlichen Rendite der Assetklasse womit sich einfach rechnen läßt.) Die Tabelle sind dann so aus:

 

post-12435-0-69830700-1339230392_thumb.jpg

 

Zwar entspricht die zugrundegelegte Annahme auch dem Erwartungswert, aber trotzdem können in der Realität die tatsächlichen Gewinnanteile in der steuerbaren Position sehr stark schwanken. Z.B. wäre es nicht ungewöhnlich gar keinen Gewinn bei Aktien erzielt zu haben und somit auch keine Dämpfung zu haben. Oder einen sehr hohen Gewinn, dann tendiert das Beispiel in Richtung meiner weiter zuerst dargestellten Tabelle.

 

Die grundsätzlich dargestellten Effekte / Gewichtungen bleiben, schwächen sich aber ab.

 

Danke Bärenbulle für die Korrektur. Am grundsätzlichen Effekt ändert sich in der Tat nichts.

 

Die zwar schon einige Zeit geltende, aber immer noch lästige Abgeltungssteuer hat noch einen weiteren Effekt. Sofern das Einkommen im Spitzensteuerbereich liegt, wurden Zinseinkünfte durch die AbgSt sogar attraktiver. Mit anderen Worten: das Risikoprofil von Aktien hat sich durch die AbgSt deutlich (?) verschlechtert, das von Renten&Co (i.d.R. RK 1 und 2) dagegen verbessert. Auch das müsste eigentlich für eine Adjustierung der Asset Allocation zu Lasten der Aktienquote sprechen.

 

Wirklich lästig das Spiel mit der Steuer...

 

gruß, moneycruncher

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