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marky2k

Ich arbeite gerade an einem Fall, bei dem eine Ratingagentur ihre Ratingmethoden geändert hat und dementsprechend der Aktienpreis einer Firma an einem Tag eingebrochen ist, da das Rating für diese Firma verschlechtert wurde. Meine Frage ist nun eine ganz allgemeine Frage.

 

Haben sich durch diese Ratingverschlechterung die gewichteten Kapitalkosten der Firma geändert? An der Firma an sich hat sich nichts geändert, nur die Methoden der Ratingagentur haben sich geändert. Intuitiv hätte ich daher behauptet, ist doch egal, was die Ratingagentur macht, an der Firma hat sich nichts geändert, also bleiben die Kapitalkosten gleich. Andererseits kann ich mir auch eine Argumentation vorstellen, bei der man sagt, dass der marginale Investor die Kapitalkosten und den Preis einer Aktie bestimmt. Und wenn sich die Einschätzung der Investoren (oder spezifischer des marginalen Investors) bzgl. des Risiko der Aktie ändert, wird er einen höheren Risikoaufschlag verlangen und die Kapitalkosten steigen.

 

Es ist also praktisch die Frage, ob die Kapitalkosten durch die Investoren bestimmt werden oder unabhängig davon sind. Wenn ersteres gilt, dann gilt die zweite Argumentation oben und vice verca. Wenn die zweite Argumentation von oben gilt, dass der marginale Investor die Kapitalkosten bestimmt, welche Faktoren in den Kapitalkosten ändern sich dann? Man kann ja quasi, wenn man annimmt, dass das CAPM gültig ist, sowohl Eigen- als auch Fremdkapitalkosten damit bestimmen. Also r = rf+beta*(rm-rf). Alle Faktoren darin sind ja unabhängig von irgendwelchen subjektiven Einschätzungen oder nicht? Das wäre wiederum ein starkes Argument dafür, dass die Kapitalkosten unabhängig sind von der Einschätzung der Investoren... ich bin verwirrt :(

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Schinzilord

Ich würde sagen die Wahrheit liegt genau dazwischen.

 

Wobei das ja auch relativ ist, weil bei einer Änderung der Bewertungsgrundlagen ja auch andere Unternehmen neu bewertet werden, wodurch die Relativität gleich bleiben sollte, während sich die absolute Einstufung ändert.

 

Je nachdem welche Evaluation des Unternehmens man vornimmt, gewichtet man die neue Entscheidung (das schlechtere Rating) oder eben nicht.

 

A) Dividend discount model: Hier interessieren nach der reinen Lehre nur die zukünftigen Wachstumsaussichten und die Discountrate.

 

B) Bewertung über Vergleich zu anderen Unternehmen: Hier wird das Rating sehr wohl reinspielen.

 

Da ja jetzt Analysten nicht nur schwarz oder weiß sehen, nehme ich an, dass das neue Rating sich bemerkbar macht, allerdings nicht so stark, dass das Unternehmen sofort auf auf eine Stufe mit anderen Unternehmen eines niedrigeren Ratings fällt (die ja auch abgewertet wurden).

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marky2k
· bearbeitet von marky2k

Habe nochmal nachgedacht. Wenn man annimmt, dass das CAPM gilt, dann kann man sowohl Fremd- als auch Eigenkapitalkosten damit schätzen. Also setzt man das CAPM in die WACC Formel WACC=(1-t)*rd*D/V + E/V*re ein, einmal mit beta für Eigenkapital und einmal mit beta für Fremdkapital. Was ändert sich nun an der WACC Formel, wenn das Rating runtergesetzt wird? Der Steuersatz schonmal nicht, risikofreier Zins und Marktrisikoprämie auch nicht. Per Annahme ändert sich das Leverage auch nicht. Was sich ändert sind aber das Eigen- und das Fremdkapitalbeta. Diese Betas stehen in folgender Relation zueinander:

 

Eigenkapitalbeta = Unlevered-beta*(1+(1-t)*D/E) - Fremdkapitalbeta*(1-t)*D/E

 

Setzt man nun diese Relation auch noch in die WACC Formel ein, hängt die WACC Formel nicht mehr vom Eigenkapitalbeta ab, aber dafür vom Unlevered-beta. Das ändert sich jedoch auch nicht durch die Ratingänderung. Das Fremdkapitalbeta jedoch erhöht sich. Damit steigen die Fremdkapitalkosten. Wie man jedoch an der Formel für das EK-beta sehen kann, sinkt dadurch das Eigenkapitalbeta und die Eigenkapitalkosten sinken. Das heißt durch die Ratingänderung wird Risiko von den Eigenkapitalgebern auf die Fremdkapitalgeber übertragen. Da man sich für die Änderung der WACC interessiert, wenn sich das Fremdkapitalbeta ändert (alle anderen Faktoren bleiben konstant), sollte man ja eigentlich die Ableitung dWACC/dFremdkapitalbeta bilden können. Setzt man also das CAPM in die WACC Formel ein und die Formel für das Eigenkapitalbeta und leitet nach dem Fremdkapitalbeta ab, sieht man wie sich die WACC ändert, wenn sich das Fremdkapitalbeta ändert. In der Tat ist die Ableitung 0. Ich habe das auch mit ein paar Zahlen ausprobiert und wie der Zufall so will, ist es so, dass sich die beiden oben genannten Effekte, d.h. höhere Fremdkapitalkosten durch höheres FK-beta und niedrigere EK-Kosten durch niedrigeres EK-Beta, genau kompensieren, sodass die WACC unverändert bleibt.

 

Problem gelöst? Noch andere Meinungen?

 

 

Was mich jetzt noch stört, ist dass der Aktienpreis eingebrochen ist. Nach meiner Argumentation müsste der ja eher gestiegen sein, da das Risiko für die Eigenkapitalgeber eher gesunken ist...aber wer erwartet schon einen steigenden Aktienpreis, wenn das Rating verschlechtert wird, das ist völlig gegen jede Intuition.

 

 

Bzgl. der Relativität war es in der Tat so, dass das Unternehmen mit wenigen anderen Betroffen war. Es ging darum, dass S&P "unfunded pension liabilities" als Fremdkapital eingestuft hat. Das hat manche deutsche Firmen schwer getroffen, da es hier zu Lande im Gegensatz zu anderen Ländern anscheinend üblich ist, keine Vermögenswerte auf der Habenseite aufzubauen um die Pensionsrückstellungen später zu bedienen, sondern diese mit Hilfe zukünftiger Cash-flows zu bedienen.

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Stairway

Ein pragmatischerer Ansatz: Die Börse besteht nicht nur aus kühl kalkulierenden Marktteilnehmern, sondern vielmehr aus einem Mix von Laien und (Halb)profis. Wenn nun eine Instanz wie etwa eine Ratingagentur eine negative Veränderung bekanntgibt, so reagieren die Marktteilnehmer (egal ob Laie oder Profi, siehe unten) gleich: verkaufen!

 

(1) Die Laien denken: Die Ratingagentur weiss ggf. mehr und dort sitzen nur Profis, ergo muss etwas dran sein.

(2) Die Profis schließen: Wenn alle Laien (bzw. der Großteil der Marktteilnehmer) sich verhalten wie in (1), dann sinkt der Kurs, d.h. wir verkaufen auch, um den Kurssturz abzufedern/vorzukommen.

 

Ergo: Deine Überlegungen sind kapitalmarkttechnisch wohl richtig, aber in der Praxis hier irrelevant, da das ganze eine Behaviour Finance-Sitiuation ist. Außerdem würde ich beachten, dass nur ein sehr kleiner Teil der Marktteilnehmer etwas von Kapitalkosten, geschweige denn DCF-Modellen versteht. Du wirst ggf. überrascht sein, wie viele große Vermögensverwalter mit Absicht kein DCF verwenden, sondern rein auf Multiplikatoren, Sentiment oder Technik achten.

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marky2k
· bearbeitet von marky2k

Naja ich habe ja mit Absicht die theoretische Frage gestellt, ob sich die WACC ändert und nicht der Preis :). Ich glaube, die Antwort hat sehr damit zutun, was die WACC (Stichwort Oppertunitätskosten) eigentlich ist und wie sie zustande kommt. Ich habe mal einen Vortrag über den marginalen Investor gehört und dass dieser den Preis bestimmt usw. Z.B. kann man das Angebot und die Nachfrage nach der Aktie auch in ein Angebot/Nachfrage (Preis/Menge, mit Preis auf der Y-Achse) Diagramm einzeichnen. Im Endeffekt und für unsere Zwecke ausreichend ist das Angebot einfach eine Vertikale und einziger Anbieter der Aktie ist die Firma. Die Nachfragekurve hat die bekannte negative Steigung. Der Preis der Aktie wird nun bestimmt durch den marginalen Investor, d.h. den Investor der mit seinem Gebot die Nachfragekurve durch die Angebotskurve kreuzen lässt und somit das Gleichgewicht herbeiführt. Aber der marginale Investor bestimmt somit auch die WACC.

 

Die Implikation war dann, dass eigtl. alles aus der Sicht des marginalen Investors gemessen werden muss. Eine praktische Applikation wäre z.B. der risikofreie Zinssatz bei einer Unternehmensbewertung zur Bestimmung der Eigen- oder Fremdkapitalkosten. Viele argumentieren, dass man eher langfristge Staatsanleihen nehmen sollte, da die Cash-flows bzw. die Duration des Eigenkapitals weit in der Ferne liegen. Derjenige, der den Vortrag hielt, hat dafür argumentiert, dass man alles aus Sicht des marginalen Investors misst, also warum auch nicht den risikofreien Zins? Wenn man so argumentiert, kann man sagen, dass der marginale Investor die Aktie z.B. nur wenige Jahre hält und man deswegen eher die Rendite kurzfristiger Staatsanleihen als Proxy für die risikofreie Rate nehmen sollte.

 

 

Ich habe das leider nicht mehr so gut in Erinnerung, deswegen kann ich es auch nicht so gut erklären. Leider konnte ich dazu im Internet nichts ausführlicheres finden.

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