H.B. Juni 4, 2011 Die Realzinsen sind in jüngster Zeit auf recht niedrigem Niveau und werden es vielleicht auch bleiben. . Die wirklich gefährliche Inflation entstand neben den Ölschocks damals vor allem durch Lohnsteigerungen. Das resultierte in hohen Nominalzinsen. Also, wenn wir über eine Multipolare Welt streiten, wenn wir antizipieren, dass die Schwellenländer eine stetig größere Stellschraube im Getriebe der globalen Ökonomie darstellen, dann muss man erst mal zur Kenntnis nehmen, dass in den meisten Regionen der Welt ein inflationäres Umfeld bittere Realität ist: In den meisten Ländern ist selbst die offizielle Inflationsrate größer als das GDP/BIP, was streng genommen eine Rezession anzeigt. In den Industriestaaten verarmen die Mittelschichten wegen negativer Realzinen ( https://www.wertpapier-forum.de/topic/35841-selbstmord-eines-wirtschaftsstandortes/?do=findComment&comment=681885 ) und in den Schwellenländern gehts ziemlich heftig zur Sache. Dir Frage ist nicht, ob die Lohn-Preis-Spirale existiert, sondern in welcher Form sie auf die Industriestaaten überschwappt. Aus der FT vom Dienstag, Seite 7, dort ist auch die obige Graphik entliehen: In his 20 years as a Hanoi taxi driver, Pham Van Vinh has learnt to negotiate the chaotic streets of Vietnams capital and the demands of its avaricious traffic police. But the 44-year-old father of two is working harder than ever because of a triple hit from inflation, which accelerated to 19.8 per cent year-on-year in May, one of the highest rates in the world. Petrol prices are up 30 per cent since February; increases in government-regulated taxi fares have driven away customers; and family living costs have jumped in the past year, with some food prices doubling. Life is tough and I have to work 12 hours a day, seven days a week, to keep putting rice and noodles on the table, says Mr Pham. His is a familiar story across the emerging world. Year-to-year figures for the latest months available show inflation in fast-growing Bric nations of 6.5 per cent in Brazil, 8.7 per cent in India, 9.6 per cent in Russia and 5.3 per cent in China. The International Monetary Fund predicts this years emerging market average rate will be 6.9 per cent, compared with just 2.2 per cent for the developed world. VIETNAM Hanoi leadership is at risk of undermining an impressive growth record As in Ukraine and Argentina, so in Vietnam. The emerging nation is the latest in which surging inflation threatens to undermine an impressive record of economic growth, writes Ben Bland. Matt Hildebrandt, an economist at JPMorgan Chase in Singapore, believes the central banks ability to fight inflation is limited by the nations exposure to rising global commodity prices. Food, fuel and raw materials for construction account for about 60 per cent of the consumer price index basket. Small, open economies like Vietnam tend to be dictated by global trends, he says. However other economists argue that the countrys problems are mostly self-inflicted. According to Jonathan Pincus of Harvard Universitys economics teaching programme in Ho Chi Minh City: Vietnam printed money for a couple of years so now theres inflation. But nations where fiscal, monetary and banking policies are chronically lax are close to inflationary crisis. In Argentina, for instance, economists reckon inflation is running at 25 per cent making a mockery of the official figure of 10 per cent. The main driver of inflation in the past 18 months has been the soaring rise in oil, food, and raw materials prices, powered by growing demand from China, India and other emerging countries. Food accounts for just 8 per cent of consumer spending in the US. In China, the figure is 30 per cent; in India, 45 per cent. John-Paul Smith of Deutsche Bank says: Investors are underestimating the extent to which inflation across many emerging markets is a structural as opposed to a cyclical phenomenon. Higher commodity prices are having knock-on effects in domestic economies, especially those where supply and demand are tight, and labour costs are rising including Brazil, India and China. With the rapid recovery of the past two years, many companies are running at full stretch. HSBC says the output gap the difference between actual output and maximum capacity has disappeared in most east Asian economies, including China, and in Brazil. Workers are winning pay increases and employers are passing on the costs. The UK bank says: This creates the risk that in emerging economies inflation shocks turn into self-perpetuating inflation processes. The examples are multiplying. In China, where officials have supported wage increases to help rebalance the economy, pay has risen by 20-40 per cent in some companies. In India, hotel managers salaries are forecast to rise 50 per cent this year. In Brazil, construction workers this month secured rises of almost 10 per cent. This year, the countrys indexing formula has set the minimum wage increase at 6 per cent. Next year it could be 14 per cent. Higher costs are squeezing industrys margins. Hon Hai, a Taiwanese electronics assembler that last year increased pay by 30 per cent after strikes at its Chinese plants, last week revealed operating expenses rose 80 per cent in 2011s first quarter. Operating margins halved to 1.1 per cent. Infrastructure, too, is under pressure, notably in India, where construction lags behind that of the other Brics. Roads, airports and power supplies cannot keep pace with demand. We have to address the bottlenecks on the supply side, says Rajiv Kumar, director-general of Ficci, the Indian employers body. The IMF says core inflation excluding commodities has risen from 2 per cent to 3.75 per cent suggesting that inflation is broadening beyond commodities-linked increases. Inflation ist nunmal eine Marktstörung. In Zeiten von derartigen Marktstörungen sind Bonds zwar kurzfristig der sichere Hafen. Strategisch sind sie allerdings Geldgräber. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
richtungsding Juni 4, 2011 Europa wird aber wohl mit Basel III, Solvency II zumindestens die Anwendung der subtilere Varianten der im Reinhart-Paper geschilderten Repressionsmechanismen erleben. Interessant die letzten Beiträge. Dennoch ein kurzer Einwand, da Basel III und Solvency II im Zusammenhang mit Repressionsmechanismen genannte werden: Ich habe, wenn auch nicht im Detail, für meinen Beruf Kurse zu Basel III und Solvency II besucht, und kann ehrlich gesagt den "Repressionsmechanismus" dieser Reformen nicht erkennen. So sieht zwar auch Basel III kein Eigenmittelerfordernis für alle (!) Euro-Staaten vor. Diese fehlende Differenzierung zwischen den Mitgliedstaaten gab es aber erstens aus offensichtlichen politischen Gründen auch schon unter Basel II und begründet zwar einen Anreiz, aber keine Verpflichtung zum Halten von Staatsanleihen. Gleiches gilt für Solvency II, mit welchem das risikobasierte Basel II-System auf Versicherungen übertragen wird (Projekt geht auf die Vorkrisenzeit zurück, Sinnhaftigkeit für so manchen Beobachter fraglich). Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
ibisnet Juni 5, 2011 · bearbeitet Juni 5, 2011 von ibisnet Inflation ist nunmal eine Marktstörung. In Zeiten von derartigen Marktstörungen sind Bonds zwar kurzfristig der sichere Hafen. Strategisch sind sie allerdings Geldgräber. Also, wenn wir über eine Multipolare Welt streiten, wenn wir antizipieren, dass die Schwellenländer eine stetig größere Stellschraube im Getriebe der globalen Ökonomie darstellen, dann muss man erst mal zur Kenntnis nehmen, dass in den meisten Regionen der Welt ein inflationäres Umfeld bittere Realität ist: In den meisten Ländern ist selbst die offizielle Inflationsrate größer als das GDP/BIP, was streng genommen eine Rezession anzeigt. Ich vermute, dass in der von Dir verwendeten Tabelle mit "real GDP" das reale Wirtschaftswachstum (Nominales Wirtschaftswachstum abzüglich offizielle Inflationsrate) gemeint ist, demnach ergäbe sich keine Rezession. PS: Ich habe die Tabelle ins Antwortfeld kopiert, in der Antwort ist sie aber nur mehr ein Link. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Ragnarök Juni 7, 2011 Die Realzinsen sind in jüngster Zeit auf recht niedrigem Niveau und werden es vielleicht auch bleiben. Die finanziellen Repressionsmechanismen werden künftig vielleicht genutzt werden. Wobei mir deren Durchsetzung in den USA, Japan und anderen Ländern deutlich einfacher erscheint als in Europa. In Europa ist es deshalb schwerer, da nicht alle an einem Strang ziehen. Deutschland / die Nordländer haben weniger Interesse daran Schulden wegzuinflationieren als die Südländer/ PIIGS. Hinzu kommt das die EZB verglichen mit der FED unabhängiger ist und z.B. nicht auf Arbeitslosigkeit Rücksicht nehmen muss. Das mag auch die PIMCO-Positionierung erklären. Daher halte ich übrigens auch den Euro für eine relativ starke Währung. Europa wird aber wohl mit Basel III, Solvency II zumindestens die Anwendung der subtilere Varianten der im Reinhart-Paper geschilderten Repressionsmechanismen erleben. Trotz niedrigem Realzinsumfeld gibt es aber derzeit einige Unterschiede zu den 60/70ern, die zu ganz anderen Ergebnissen führen können. Zunächst mal gab es unter Brenton-Woods und auch danach noch deutlich mehr Handelsbarrieren. Handelkriege waren an der Tagesordnung. Ergebnis von Handelbarrieren ist ein chronisch inflationäres Umfeld, da die heutigen deflationären Effekte (Stichwort: 1 T-Shirt) durch die Billiglohnländer nicht greifen konnten. Die wirklich gefährliche Inflation entstand neben den Ölschocks damals vor allem durch Lohnsteigerungen. Das resultierte in hohen Nominalzinsen. Alles Punkte die heute dramatisch anders sind. Die hohe Anzahl an Arbeitslosen in den USA, die mageren Lohnrunden in Europa und der totale Verzicht auf Handelsbarrieren, schafft ein eher stark deflationäres Umfeld. Spekulationen um Rohstoffknapphiet mögen diesen Effekt allerdings ggf. etwas aufweichen. Der Deflationäre Effekt scheint mir aber für die nächsten 5-10 Jahre noch deutlich stärker. Was sich wohl auch dann erst dann ändert, wenn der Welt die Billiglohnländer ausgehen. Ich bin ja nicht so bewandert in den ganzen volkwirtschaftlichen Zusammenhängen die du oben erwähnst und bin als Anleger an einen praktischen Nutzen interessiert. Trotzdem glaube ich eher an eine größere Inflationsgefahr. Hier mal ein kleiner Zeitungsbericht, wie sowas passieren kann: Zitat:"Weltweit wurde die Inflation in den vergangenen Jahren durch Billigproduktion in den Schwellenländern, namentlich China, gedämpft", sagte Bert Rürup, Vorstand der Beratungsfirma Maschmeyer Rürup, der FTD. Jetzt verliere die Globalisierung zumindest einen Teil ihrer preisdämpfenden Wirkung, sagte der frühere Sachverständige der Bundesregierung. Auch Holger Schmieding , Chefvolkswirt der Berenberg Bank, sagte: "Jetzt überwiegt der Effekt, dass die Schwellenländer über Rohstoffkonkurrenz und einen steigenden Beitrag zur Weltnachfrage insgesamt unsere Inflation etwas antreiben." http://www.ftd.de/po...r/60059565.html Andererseits kannst du natürlich recht haben, was die interne Inflation angeht. Ich glaube auch, dass bis auf Deutschland, die anderen westlichen Länder kaum noch mehr ihre Löhne wegen der Globalisierung anziehen können. Doch die ganz tollen Spielsachen" kommen nun mal aus Asien und dort gibt es keinen Spielraum mehr für Lohndumping. Näherinnen von Bangladesch arbeiten für 1 $ am Tag. Das kann man nicht mehr unterbieten und ab jetzt wird es eher zu einer importierten Inflation kommen und Rohstoffen wollen unsere Freunde aus den Schwellenländern auch gerne konsumieren... Grundsätzlich bin ich auch nicht grade euphorisch, was die künftigen Rendite-Erwartungswerte für AAA-Staatsanleihen angeht. Aber ganz so einseitig und einfach wie Du das hier schilderst ist es wohl nicht. Einseitig hin oder her, man bekommt für normale Anleihen heute nichts: Ca. 3% bei 10 jährigen deutschen Bundesanleihen und 5 % bei BBB. Geht man von deiner pessimistischen Ansicht aus, dass Staatsanleihen langfristig nur 1 % real bringen, wären die aktuellen Zinsen immer noch um 1 % zu niedrig, wenn man von einer durchschnittlichen Inflationsrate von 3 % ausgeht (Nach der Steuer wird es dann eh zu einer Verlustanlage). Ich persönlich rechne mit 3 bis 4 % Inflation. Bist du eigentlich der Meinung, dass andere Anlagemöglichkeiten im Anleiheuniversum eine gerechte Rendite besitzen? Eigentlich bin ich der Meinung, dass man den Anleiheteil in diesem Forum auch mal ruhig für den einfachen Anleger (wie ich z.B.) auch mal für die nächsten Jahre mit der Warnung schließen kann, dass man hier nur sein Geld verbrennen kann. Anleihen haben einfach keinen eingebauten Inflationsschutz und haben zusätzlich die Tendenz, dass langfristig das Fremdkapital eher zu Eigenkapital wird ;-) Wenn es zu einer langanhaltenden Deflation in den nächsten 5 Jahren kommt werde ich keinen Besen fressen, sondern anstatt 100 für dein Buch (Triumph of the optimists) auszugeben, dass Geld hier fürs Forum spenden. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Delphin Juni 7, 2011 Geht man von deiner pessimistischen Ansicht aus, dass Staatsanleihen langfristig nur 1 % real bringen, wären die aktuellen Zinsen immer noch um 1 % zu niedrig, wenn man von einer durchschnittlichen Inflationsrate von 3 % ausgeht (Nach der Steuer wird es dann eh zu einer Verlustanlage). Ich persönlich rechne mit 3 bis 4 % Inflation. Bist du eigentlich der Meinung, dass andere Anlagemöglichkeiten im Anleiheuniversum eine gerechte Rendite besitzen? Was ist eine gerechte Rendite? Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
BondWurzel Juni 7, 2011 Geht man von deiner pessimistischen Ansicht aus, dass Staatsanleihen langfristig nur 1 % real bringen, wären die aktuellen Zinsen immer noch um 1 % zu niedrig, wenn man von einer durchschnittlichen Inflationsrate von 3 % ausgeht (Nach der Steuer wird es dann eh zu einer Verlustanlage). Ich persönlich rechne mit 3 bis 4 % Inflation. Bist du eigentlich der Meinung, dass andere Anlagemöglichkeiten im Anleiheuniversum eine gerechte Rendite besitzen? Was ist eine gerechte Rendite? Na, wenn sie rechtens ist. Egal welche Rendite, wenn man nichts anlegt, wird es eher eine linke Rendite. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag