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Consigliere

Wie funktioniert die Verbriefung von Krediten?

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Consigliere
· bearbeitet von Consigliere

Hi,

 

ich schreibe im Moment an meiner Facharbeit zur Finanzkrise. Bisher habe ich die Entwicklung auf dem US-Häusermarkt in den Jahren 2000-2007 beschrieben. Jetzt möchte ich genauer betrachten wie die vielen einzelnen Hypotheken verbrieft wurden um danach über die ganze Welt verteilt zu werden. An ein paar Punkten komme ich aber nicht weiter.

 

Zunächst einmal verstehe ich im groben den Ablauf einer solchen Verbriefung. Zunächst wird der Kredit in eine extra dazu gegründete Zweckgesellschaft (SPV) ausgelagert. Diese Zweckgesellschaft bildet dann eine Art Fonds (RMBS) mit vielen Tausenden Krediten. Diese werden tranchiert und jede Tranche erhält ein bestimmtes Rating. Dann kaufen CDOs von verschiedenen RMBS Teile von bestimmten Tranchen. Die CDOs geben dann wieder neue Wertpapiere aus.

 

Hab ich das so richtig dargestellt?

 

Einige Fragen bleiben mir auch nach längerer Internetrecherche.

 

1. Wie kommt der Kredit in den RMBS? Ich habe gelesen, dass der Kredit zunächst von einem Makler abgeschlossen wurde. Diesen Maklern wird der Kredit dann abgekauft (NZZ Folio). Aber wie konnten Makler auf eigene Faust Kredite abschließen? Hinter ihnen musste doch zwangsläufig irgendein Kapitalgeber stehen?

 

2. Wer genau stellt einen solchen RMBS überhaupt her?

 

3. Wer stellt die CDOs her?

 

4. Von wem wurden die CDOs gekauft?

 

Nun habe ich weiter gelesen, dass sich durch Credit Default Swaps die entstanden Schäden verfielfacht haben. Worauf genau wurden die CDS abgeschlossen? Auf die unsicheren CDOs?

 

Ich hoffe ihr könnt mir helfen

Consigliere

 

PS: Kann gut sein, dass ich das falsche Forum erwischt habe. Wenn ja, tut es mir Leid. Dann bitte verschieben.

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klausk
· bearbeitet von klausk

Klassische Funktionsweise von US-Hypotheken (mortgages): Hauskäufer geht zu einem Makler (mortgage broker), der ihm unter den Angeboten von verschiedenen Banken das beste empfiehlt. Dafür bekommt der Makler eine Provision, in der Regel nicht vom Hauskäufer sondern von der Bank, die auch den Kreditantrag gutheisst und den Kredit vergibt. Die Bank kassiert die monatlichen Zahlungen.

 

Die Bank hat nun deutlich weniger Kapital, also will sie sich refinanzieren, indem sie den Zahlungsstrom verkauft, z.B. an die vom Congress für diesen Zweck gegründeten und mit einer Staatsgarantie versehenen Fannie Mae und Freddie Mac. Damit hat die Bank wieder Kapital und kann weitere Kredite vergeben.

 

Der gesetzgeberische Sündenfall kam 1999 mit dem Widerruf des Glass-Steagall-Acts von 1933, der eine strikte Trennung von (kapitalsammelnden und kreditgebenden) Banken und (mit Geld handelnden) Investmentbanken vorschrieb. 1999 war Bill Clinton noch im Weissen Haus, die Wirtschaft boomte, aber die Weichen wurden von den Republikanern gestellt, die beide Häuser des Kongresses dominierten. Und die drängen in die Regierung, weil sie die Fähigkeit der Regierung zu regieren so weit reduzieren wollen wie möglich. Weniger Regulierung gleich mehr Freiheit.

 

Ähnlich wie Fannie und Freddie die kreditgebenden Banken rekapitalisieren konnten, fanden die Investmentbanken neue Wege, das Kapital produktiv in Umlauf zu halten. Sie kauften die Hypotheken auf, gruppierten sie nach Laufzeiten, Zuverlässigkeit des Zahlungsstroms etc., gaben den Gruppen Namen und verkauften Anteile daran an Investoren. Was verkauften sie? Die Vehikel hiessen MBSs (mortgage-backed securities), RMBSs (residential MBSs, zum Unterschied von gewerblichen Hypotheken), CMOs (collateralized mortgage obligations) -- verschiedene Namen, aber im Prinzip alles dasselbe.

 

Dieses “recycling”, also das Wiedereinschleusen des Kapitals in den Kreislauf der Wirtschaft, verbunden mit der Greenspan-Philosophie des billigen Geldes, stellte reichlich Kapital zur Verfügung, was zu einer Inflation auf dem Immobilienmarkt führte. Einige Banken, wie z.B. Countrywide und New Century, spezialisierten sich auf die Vergabe von Hypotheken, mit sofort anschliessendem Verkauf derselben an refinanzierende Banken (Bank of America, Citibank, etc.).

 

Um dieses Rad (originate and sell mortgages) am Laufen zu halten, wurde die Werbung neuer Kunden immer aggressiver. Statt, wie bis dahin üblich, mindestens 20% Eigenbeteiligung des Hauskäufers zu verlangen, vergaben sie Hypotheken bis zum vollen Kaufpreis des Hauses, sogar noch darüber hinaus: 125% loan-to-value ratio. Du konntest also ein Haus für 400.000 Dollar kaufen, ohne einen Cent hinzulegen, und bekamst noch 100.000 in Cash dazu.

 

Das Rad musste sich immer schneller drehen. Kreditnehmer brauchten nicht mal mehr zu dokumentieren, dass sie in der Lage waren, die monatlichen Zahlungen zu machen: no income verification (“no-doc” oder “liar” loans). Übelste Abkehr von der traditionellen Praxis: Nun wurden nicht mehr die klassischen Hypotheken zum Festzins angeboten sondern ARMs (adjustable-rate mortgages), die einen niedrigen Einstiegszins hatten, der aber nach kurzer Zeit (typischerweise zwei Jahren) an einen vereinbarten Referenzzins “angepasst” werden sollte (z.B. 3% über LIBOR). Und danach alle halbe Jahre wieder.

 

Die waghalsigen Rechnungen beruhten auf der Annahme, dass die Hauspreise auch weiterhin steigen würden. Wenn nach zwei Jahren der “reset” des Zinssatzes käme, dann könnten die Leute ja refinanzieren, also die alte Hypothek ablösen mit einer neuen, die dann auf dem inzwischen “ganz sicher” gestiegenen Wert des Hauses beruhen würde. Als das aber nicht mehr so weiter ging, begannen die Insolvenzen sich zu häufen (2006, 2007).

 

Der Begriff “subprime” wird gewöhnlich so interpretiert, dass gewisse Hauskäufer nicht kreditwürdig waren. Das stimmt nur zum Teil. Gerade auch viele Reiche haben die Gunst der unsinnigen Stunde genutzt. Sich z.B. eine Millionen-Villa gekauft und, obwohl sie die hätten bar bezahlen können, eine Hypothek in der vollen Höhe aufgenommen. Das konnten sie ohne Risiko tun, weil in vielen Staaten der USA Hypotheken “non-recourse loans” sind, also Kredite ohne Rückgriffsmöglichkeit. Was bedeutet, steigt der Wert der Hütte, entsteht purer Gewinn; fällt der Wert, zieht man einfach aus (“schickt den Schlüssel an die Bank”).

 

Nicht nur das, es gab noch Zuckerstückchen vom Finanzamt. Zucker Nummer 1: Hypothekenzinsen sind die einzigen Zinsen, die man in den USA von der Steuer absetzen kann (es gibt Grenzen, aber die sind grosszügig). Für Jemanden, der rechnen kann und sich nicht darum schert, woher sein Geld kommt: Kein Risiko, kannst gratis wohnen und sparst Steuern. Zucker Nummer 2: Wenn du zwei Jahre in deinem Haus gewohnt hast, kannst du beim Verkauf den Gewinn (bis zu einer halben Million für Ehepaare, viertel Million für Singles) steuerfrei einstreichen. Das finanzielle perpetuum mobile: die arbeits- und risikolose Geldmaschine.

 

So weit, so schlecht. Allerdings sehe ich in den finanziellen Instrumenten selbst nichts unbedingt Schlechtes, im Gegenteil. Ihr Wert beruht aber darauf, dass die Käufer dieser MBSs, RMBSs, CMOs sich darauf verlassen können, dass diese Derivate genau das enthalten, was drauf steht. Unehrlichkeit ist aber das Alter Ego der Gier, weshalb sich Goldman Sachs, Marktführer auf diesem Gebiet, sich den Vorwurf gefallen lassen muss, solche Derivate wie den CDO “ABACUS 2007-AC1” zusammengestellt und an Investoren (wie die IKB in Deutschland) verkauft zu haben.

 

Wie konnte Goldman diesen “Abacus” verkaufen? Waren IKB und andere Investoren einfach zu dumm? Nein, denn Goldman hatte sich von Rating-Agenturen, wie Standard&Poor’s und Moody’s, Bewertungen gekauft, und die waren von der besten Sorte: AAA bzw. Aaa, vielleicht auch eine Stufe darunter.

 

Und das obwohl Goldman wusste, dass der CDO von dem Hedgefonds des John Paulson zusammengestellt worden war, der mit Absicht solche Hypotheken ausgesucht hatte, die nur geringe Aussichten hatten, je zurückgezahlt zu werden, und der selber gegen diesen CDO wettete. Wie? Mit Hilfe eines weiteren Derivats, genannt CDS (credit default swap). Als nach ein paar Monaten die Hypothenzahlungen nicht mehr so prompt einkamen und der CDO wie erwartet bankrott ging, machte Paulson mit seinem CDS eine Milliarde Dollar Gewinn. Legal.

 

Ein CDS ist eine Kreditausfallversicherung. Paulson kaufte sich diese Versicherung von anderen Investoren, wie z.B. der AIG. Dafür musste er selber gar kein Kreditrisiko haben -- reine Wetten sind möglich. Darunter litt natürlich AIG; einer ihrer grössten CDS-Kunden: Goldman Sachs. Prompt musste die arme AIG vor der Pleite gerettet werden, denn sonst wären ja Goldman und noch viele Andere in der ganzen Welt pleite gegangen. Also wurde AIG mit Steuergeldern übernommen (verstaatlicht), zu 80% (nach meiner Erinnerung).

 

Die ganze "Rettungsaktion" von 2008 wurde von Hank Paulson eingefädelt, der vor seiner Berufung zum Finanzminister der Bush-Regierung Chairman und CEO von Goldman Sachs war. Honi soit qui mal y pense.

 

Staatliche Aufsicht fand nicht statt und war auch gar nicht vorgesehen.

 

Die SEC startete eine Untersuchung gegen Goldman Sachs. Ohne eine Schuld einzugestehen, kaufte Goldman sich mit einer Zahlung von $550 Millionen von dem Vorwurf frei.

 

Must-read (auf deutsch): Michael Lewis: The Big Short.

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John Silver

Danke KlausK für den sehr schönen Beitrag. :):thumbsup:

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klausk

John Silver, offensichtlich kennst du Michael Lewis und hast "Liar's Poker" gelesen.

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John Silver

Ja, kann man das an meiner Signatur sehen? :-

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Stairway

Danke KlausK für den sehr schönen Beitrag. :):thumbsup:

 

Dem kann ich mir nur anschließen. Superbly written.

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Zinsen
· bearbeitet von Zinsen

Merci an klausk; schöner hätte man den Thread Auswirkungen der Subprimekrise nicht zusammenfassen können.

Ansonsten TSI, das ganze in klein und noch nicht so entwickelt, aber dasselbe Prinzip.Natürlich aus Anbietersicht des Zweitmarktes.

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klausk
· bearbeitet von klausk

In meinem Beitrag habe ich versucht, einen Überblick zu geben über die Dinge, die zum Crash von 2008 geführt haben. Ich habe dazu einige PNs erhalten, ich zitiere mal eine:

 

Wie siehst du eigentlich diesen Stop der foreclosures, ist das ein echtes Problem oder nur Wahlkampf- und Mediengeräusch?

Wir neigen alle dazu, jeweils das, was heute in den Nachrichten ist, für ein eigenständiges "Problem" zu halten. Das Problem ist viel komplexer.

 

Die Frage ist nicht: Sollten wir die Foreclosures stoppen? Sondern: Wie kommen wir aus dem Schlamassel heraus?

 

Die Schuldigen an der sogenannten Subprime-Krise waren nicht allein, nicht einmal originär, Hauskäufer, die mehr Kredit aufnahmen als sie zurückzahlen konnten.

 

Es ist nun mal so: Banken haben ihr Geld in windige Kredite gesteckt, weil sie attraktive Gewinnaussichten vermuteten. Die Vermutung war falsch. Ihr Risikomanagement versagte, weil die Gier siegte. Jetzt sind sie, genau so wie einige andere Beteiligte, gelackmeiert -- Einige, wie John Paulson, haben abgesahnt. Dennoch weigern sich die Banken, das anzuerkennen. Lieber schieben sie Foreclosures hinaus, weil ihre Bilanzen besser aussehen, wenn da "Forderungen" drinstehen anstatt "Verluste". Vielleicht hat das Hin- und Hergeschiebe mit CDOs etc. auch dazu geführt, dass sie tatsächlich nicht herausfinden können, wer denn nun das Recht zur Foreclosure hat. Zweifellos eine Katastrophe grösseren Kalibers -- aber alles Folgen derselben Ursachen. Und die Banken sind selbst mit Schuld daran.

 

Manche Hauskäufer haben es drauf ankommen lassen -- müssen die geschützt werden? Andere haben jeden Monat brav gezahlt und können jetzt nicht mehr, sind vielleicht arbeitslos geworden -- wie können die "geschützt" werden, wenn Banken sich weigern anzuerkennen, dass sie Verluste gemacht haben?

 

Um die Katastrophe namens "Subprime-Krise" aufzuarbeiten, müssen alle Beteiligten mit ihrem jeweiligen Schaden fertig werden:

 

* Hauskäufer, die sich übernommen haben;

* Banken, die die Besicherung ihrer Kredite vernachlässigt haben;

* Investmentbanken, die ihre Branche diskreditierten, indem sie gute und schlechte Zahlungsströme in denselben CDO verpackten, ihn mit falschen AAA-Ratings versahen und an gutgläubige Investoren verkauften;

* Politiker, die unentwegt daran glauben, dass Regierungen das Problem und Regulierungen von Übel sind und der Markt am besten funktioniert, wenn man die Macher einfach machen lässt.

 

Die Wahlen (eigentlich: die Wähler) in den USA am 2. November geben mir nicht viel Zuversicht.

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klausk
· bearbeitet von klausk

Edith hat mir dazwischen gequatscht. Sorry.

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Ramstein

Hier ein sehr interessanter Reuters-Blog-Beitrag, wie es lief. Wenn das stimmt und beweisbar ist, werden die Anwälte noch viel Freude haben; die verantwortlichen Banken aber deutlich weniger.

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klausk

Hier ein sehr interessanter Reuters-Blog-Beitrag, wie es lief. Wenn das stimmt und beweisbar ist, werden die Anwälte noch viel Freude haben; die verantwortlichen Banken aber deutlich weniger.

Danke für den Link. Gut zu wissen, dass ich noch nicht komplett paranoid bin.

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