don-arturo Juni 22, 2010 Hallo liebe User, ich habe sehr bald eine mündliche Prüfung in Finanzwirtschaft vor mir, folgendes Problem hierbei: Ganz gerne stellt der Prof. angeblich die folgende Frage: "Angenommen, Sie sollen für ein Unternehmen ein Investitionsprojekt mit (mehrperiodigen und bekannten) Rückflüssen bewerten, wie gehen sie vor?" Was er hören will, ist Folgendes: "Man diskontiert die Rückflüsse auf heute und schaut, ob die Summe der Rückflüsse einen positiven Kapitalwet ergibt, also >0. Dann ist das Projekt durchzuführen." Nun zu meinen Fragen: 1.) Woher nehme ich denn den Zins für das "Abzinsen" auf heute. Die Rückflüsse (Cashflows) finden in den nächsten Perioden statt, also in 2, 3 etc. Jahren. Ich bräuchte ja dann für jede Periode den jeweiligen Zins, abhängig von der Laufzeit. (Also z.B. in Periode 2 sei der Rückfluss 1000, d.h diskontieren auf heute ergibt 1000/(1+r)^2 ) Angeblich nimmt man den Zins aus risikolosen Anleihen, z.B. deutschen Staatsanleihen. Aber WIE macht man das dann konkret? Den Zins aus Staatsanleihen nehmen, die unterschiedliche Laufzeiten haben? Und wie kriege ich das konkret heraus? Habe so gut wie keine Erfahrungen mit dem Börsenteil der Zeitung. 2.) Ähnliche Frage im Zusammenhang mit solchen Investitionsprojekten: "Wie hoch ist der aktuelle Zinssatz gerade, und ist er relativ hoch oder nicht so hoch?" Könntet ihr mir eine konkrete Antwort darauf geben? Wie ist der heutige Zinsstand zu interpretieren und wie hoch ist er konkret? Ich wäre euch sehr dankbar Gruß Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
cris7 Juni 22, 2010 zu 1.) Das einfachste Verfahren ist tatsächlich den Zinsatz für Bundesanleihen zu nehmen, da dieser in "risikolos" ist. Welchen genau? Wenn dein Projekt zum Beispiel eine Laufzeit von 2 Jahren hat, dann wäre eine geeignete Bundesanleihe mit einer gleichen Laufzeit (also 2 Jahre). zu 2.) Die Zinsen sind aktuell äußerst niedrig. Warum? Dies hat vor allem damit zu tun, dass die Leitzinsen der ZB z.B. der EZB oder der Fed historische Tiefstände haben. Um einen genauen Überblick zu bekommen, solltest du dir z.B. mal eine aktuelle Zinsstrukturkurve anschauen. Momentan bringt z.B. eine Bundesanleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren gerade mal eine Rendite von etwa 2 %, dies alleine zeigt, dass wir uns in einem Umfeld sehr niedriger Zinsen befinden? Welche Bedeutung hat dies noch? mittel und langfristig müssen die Zinsen steigen, da sie nicht weiter fallen können (wenigstens nominal), d.h. wenn z.B. in Europa die Inflationsängste wieder größer werden und die ZB die Leitzinsen erhöht, dann wird dies auch die ZInsen erhöhen. Dies führt dazu, dass dein Projekt mit einem höheren Abzinsfaktor zu bewerten ist. Hier hast du mal einen Link zu einer Zinsstrukturkurve der EZB: http://www.ecb.eu/stats/money/yc/html/index.en.html Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
don-arturo Juni 22, 2010 zu 1.) Das einfachste Verfahren ist tatsächlich den Zinsatz für Bundesanleihen zu nehmen, da dieser in "risikolos" ist. Welchen genau? Wenn dein Projekt zum Beispiel eine Laufzeit von 2 Jahren hat, dann wäre eine geeignete Bundesanleihe mit einer gleichen Laufzeit (also 2 Jahre). zu 2.) Die Zinsen sind aktuell äußerst niedrig. Warum? Dies hat vor allem damit zu tun, dass die Leitzinsen der ZB z.B. der EZB oder der Fed historische Tiefstände haben. Um einen genauen Überblick zu bekommen, solltest du dir z.B. mal eine aktuelle Zinsstrukturkurve anschauen. Momentan bringt z.B. eine Bundesanleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren gerade mal eine Rendite von etwa 2 %, dies alleine zeigt, dass wir uns in einem Umfeld sehr niedriger Zinsen befinden? Welche Bedeutung hat dies noch? mittel und langfristig müssen die Zinsen steigen, da sie nicht weiter fallen können (wenigstens nominal), d.h. wenn z.B. in Europa die Inflationsängste wieder größer werden und die ZB die Leitzinsen erhöht, dann wird dies auch die ZInsen erhöhen. Dies führt dazu, dass dein Projekt mit einem höheren Abzinsfaktor zu bewerten ist. Hier hast du mal einen Link zu einer Zinsstrukturkurve der EZB: http://www.ecb.eu/st...l/index.en.html Vielen Dank für die ausführliche und verständliche Antwort, nur eine Sache: laut der Zinsstrukturkurve der EZB ist der 10Jahreszins doch bei ca. 3%, nicht 2. Verstehe ich was falsch oder hast du dich vertippt? Und wenn es 3% sein sollten, ist der Zins dann als "mittelmäßig" zu bezeichnen? Danke + Gruß Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
black_math Juni 22, 2010 1.) Woher nehme ich denn den Zins für das "Abzinsen" auf heute. Die Rückflüsse (Cashflows) finden in den nächsten Perioden statt, also in 2, 3 etc. Jahren. Ich bräuchte ja dann für jede Periode den jeweiligen Zins, abhängig von der Laufzeit. (Also z.B. in Periode 2 sei der Rückfluss 1000, d.h diskontieren auf heute ergibt 1000/(1+r)^2 ) Angeblich nimmt man den Zins aus risikolosen Anleihen, z.B. deutschen Staatsanleihen. Aber WIE macht man das dann konkret? Den Zins aus Staatsanleihen nehmen, die unterschiedliche Laufzeiten haben? Und wie kriege ich das konkret heraus? Habe so gut wie keine Erfahrungen mit dem Börsenteil der Zeitung. 2.) Ähnliche Frage im Zusammenhang mit solchen Investitionsprojekten: "Wie hoch ist der aktuelle Zinssatz gerade, und ist er relativ hoch oder nicht so hoch?" Könntet ihr mir eine konkrete Antwort darauf geben? Wie ist der heutige Zinsstand zu interpretieren und wie hoch ist er konkret? 1.) Eigentlich richtig: spot rates. Das ist der jeweils laufzeitspezifische Zins für eine Zahlung. Jede Zahlung mit der entsprechenden Spot Rate abzinsen und dann passts. Problem dabei: Spot Rates sind meist aus risikolosen Staatsanleihen berechnet, es fehlt also ein Risikozuschlag sofern die Zahlungen nicht sicher sind. Spot Rates werden aus der Zinsstrukturkurve berechnet, die von der Bundesbank regelmäßig veröffentlicht wird. Schau mal auf den Seiten der Bundesbank. Wichtig ist der Risikoaspekt, den würde ich auf jeden Fall erwähnen. 2.) Wie cris7 geschrieben hat, sind die Zinsen momentan sehr niedrig. Ebenfalls auf den Seiten der Bundesbank dürftest du historische Daten über das Leitzinsniveau in Europa bzw. Deutschland finden. Der Leitzins dürfte Pi mal Daumen so bei 1-2% liegen. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
vanity Juni 22, 2010 Vielen Dank für die ausführliche und verständliche Antwort, nur eine Sache: laut der Zinsstrukturkurve der EZB ist der 10Jahreszins doch bei ca. 3%, nicht 2. Verstehe ich was falsch oder hast du dich vertippt? Und wenn es 3% sein sollten, ist der Zins dann als "mittelmäßig" zu bezeichnen? Es sind etwa 3%. Ein Bild über die Entwicklung der Rendite 10-jähriger Anleihen der öffentlichen Hand ab 1973 kannst du dir hier machen: http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?first=1&open=zinsen&func=row&tr=WU8612&showGraph=1 (wenn du links die Kategorie Zinsen, Renditen durchstöberst, kannst du dir ein gutes Bild über die Entwicklung der Zinsen im Lauf der Zeit machen. Du kannst dir die Daten auch runterladen und selbst ein paar Berechnungen anstellen) Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
John Silver Juni 22, 2010 ... zu 2.) Die Zinsen sind aktuell äußerst niedrig. Warum? Dies hat vor allem damit zu tun, dass die Leitzinsen der ZB z.B. der EZB oder der Fed historische Tiefstände haben. Um einen genauen Überblick zu bekommen, solltest du dir z.B. mal eine aktuelle Zinsstrukturkurve anschauen. Momentan bringt z.B. eine Bundesanleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren gerade mal eine Rendite von etwa 2 %, dies alleine zeigt, dass wir uns in einem Umfeld sehr niedriger Zinsen befinden? Welche Bedeutung hat dies noch? mittel und langfristig müssen die Zinsen steigen, da sie nicht weiter fallen können (wenigstens nominal), d.h. wenn z.B. in Europa die Inflationsängste wieder größer werden und die ZB die Leitzinsen erhöht, dann wird dies auch die ZInsen erhöhen. Dies führt dazu, dass dein Projekt mit einem höheren Abzinsfaktor zu bewerten ist. ... Mittelfristig müssen die Zinsen nicht unbedingt steigen, siehe Japan mit seinen seit Jahren niedrigen Zinsen. Was langfristig passiert ist auch eine Frage der Definition von langfristig (siehe Keynes). Allerdings ist es natürlich richtig, dass der "Zinsänderungsspielraum" nach oben größer ist als nach unten. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Schinzilord Juni 23, 2010 Allerdings ist es natürlich richtig, dass der "Zinsänderungsspielraum" nach oben größer ist als nach unten. Absolut gesehen ja, relativ gesehen nein. Wenn du auftrumpfen willst, kannst du da neben dem NPV auch den IRR deiner Investition berechnen und vergleichen mit dem Diskontierungszinssatz. Der dürfte aber für ein Unternehmen höher liegen als der risikolose Zins. Allerdings sollte du dann die jeweiligen Vor- und Nachteile kennen Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
don-arturo Juni 23, 2010 Allerdings ist es natürlich richtig, dass der "Zinsänderungsspielraum" nach oben größer ist als nach unten. Absolut gesehen ja, relativ gesehen nein. Wenn du auftrumpfen willst, kannst du da neben dem NPV auch den IRR deiner Investition berechnen und vergleichen mit dem Diskontierungszinssatz. Der dürfte aber für ein Unternehmen höher liegen als der risikolose Zins. Allerdings sollte du dann die jeweiligen Vor- und Nachteile kennen auf den internen Zinsfuß steht der Prof. nicht so, da man dort davon ausgeht, dass die Rückflüsse wiederum zum IZF angelegt werden, das ergibt Arbitragemöglichkeiten und verstößt gegen den Vollkommenen Finanzmarkt. Aber als (schlechtere) Alternative lässt sich das nennen, ja. Vielen Dank für eure Antworten! Gruß Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag