ipl Oktober 23, 2009 In diesem am Montag veröffentlichen Paper wird (mehr oder weniger) bewiesen, das eine Regulierung des CDO-Handels unmöglich bis unnötig ist und der faire Preis von nicht-trivialen CDOs bei 0 liegt. Drei von vier Autoren sind übrigens Informatiker. ^^ Da das Paper für die meisten hier wohl eher schwer verdaulich sein dürfte (ich habs selbst nur überflogen), hier noch einige Links, die das Thema populärwissenschaftlicher behandeln: http://rjlipton.wordpress.com/2009/10/22/helping-wall-street-cheat-with-theory/ http://www.boingboing.net/2009/10/15/complex-derivatives.html http://www.dailykos.com/story/2009/10/18/14636/845 http://bonds.about.com/od/derivativesandexotics/a/CDO.htm Im Grunde geht es um Folgendes: der Verkäufer der CDOs hat zusätzliche Informationen, die ihm erlauben, vorteilhaftere und weniger vorteilhafte CDOs zusammenzustellen. Der Käufer müsste die Angebote analysieren und sich die vorteilhaften - sofern sie überhaupt angeboten werden - herauspicken. Nun wurde bewiesen, dass diese Analyse äquivalent zu einem praktisch nicht lösbaren Problem der Informatik ist und demzufolge bisher praktisch nicht durchführbar ist. Damit ist der Käufer vor schlechten Angeboten (mit deutlich negativem Erwartungswert, zum Beispiel) nicht geschützt und kann "gute" CDOs von "schlechten" nicht unterscheiden. Das senkt ihren Verkaufspreis auf 0. Sollten die Banken zum selben Schluss kommen, ist eine Regulierung im Sinne von Verhinderung des CDO-Handels einfach überflüssig. Aber auch eine Regulierung, um beispielsweise "unfaire" CDO-Händler wenigstens im Nachhinein zu bestrafen, scheint aussichtslos, denn eines der Ergebnisse des Papers ist, dass es auch nachträglich unmöglich ist festzustellen, ob schlecht performende CDOs so konstruiert waren oder man bloß Pech hatte. Es gibt einige Einwände gegen die Positionen des Papers und auch ich bin nicht sicher, ob das Ergebnis vollständig auf reale Gegebenheiten anwendbar ist. Aber das ist zumindest ein großer Teil der Wahrheit. ^^ Das alles ist natürlich nicht zu verwechseln mit der Behauptung, dass CDOs wertlos sind, denn irgendeinen Wert haben sie - der Käufer kann ihn nur nicht ermitteln. Die Folge ist, dass das Kapital, das gegenwärtig darin gebunden ist, darin auch gebunden bleiben wird, bis die Instrumente auslaufen. Somit erscheint eine "willkürlichere" Bilanzierung als zu Marktpreisen tatsächlich angebracht. Die Marktpreise nahe 0 entsprechen ja nicht dem intrinsischen Wert, sondern reflektieren die "unendlich" hohen Transaktionkosten, die die Inhaber der Derivate ja gar nicht bezahlen müssen, wenn sie die Derivate bis zum Auslaufen halten. Oder wie seht ihr das? Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Stairway Oktober 23, 2009 Somit erscheint eine "willkürlichere" Bilanzierung als zu Marktpreisen tatsächlich angebracht. Die Marktpreise nahe 0 entsprechen ja nicht dem intrinsischen Wert, sondern reflektieren die "unendlich" hohen Transaktionkosten, die die Inhaber der Derivate ja gar nicht bezahlen müssen, wenn sie die Derivate bis zum Auslaufen halten. Oder wie seht ihr das? Hi ipl, da sprichst du ein sensibles Theme des Rechnungswesens an. Klar ist, dass bei hochkomplexen oder sehr illiquiden Papieren eine Bewertung zu Marktpreisen sinnfrei oder unmöglich ist. Dann wechselt man zu Mark-To-Model aber hier ist eben dem Betrug Tür und Tor geöffnet. Ist ja bei ganz normalen Derivaten auch schon der Fall. Ich halte das wie Charlie Munger: Der ganze CDS/CDO Markt gehört geschlossen und für die restlichen Derivate ein strenges Niederswertprinzip, zur Not eben zu Null Euro. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Stephan09 Oktober 28, 2009 Findest du nicht, dass du da den Blickwinkel ein wenig verengst? Das, was die Autoren euphemistisch "lemon" nennen, ist schlichtweg Betrug und diesen kann man auch nicht mit noch so elaborierten Wahrscheinlichkeitsrechnungen aus der Welt schaffen. Wenn man bei einer Hypothek nichts über seine Einkommensverhaeltnisse und nichts über seine Vermoegensverhaeltnisse angeben muss, kann es sicherlich sein, dass 5, 10 oder vielleicht sogar 25 % der Menschen diesem nachkommen und ihren Zahlungsverpflichtungen auch nachkommen, aber dieser Weg ist eindeutig eine Sackgasse. Wenn man sich darüber hinaus auch noch anschaut, dass Erwerber mancher CDO's nicht einmal in der lage waren, ihre vermeintlichen Rechtstitel geltend zu machen, ist der Ansatz dies über eine Krise des Rechtsstaates und der Dokumentation bzw. die Anreizsysteme der Akteure zu verstehen, um einiges zielführender, als all diese Dinge auszuklammern und mithilfe der Stochastik zu eliminieren. Ich meine, kann ein Baustein sein, und dieser Post ist vielleicht ein weiterer. Bis denn Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
ipl Oktober 29, 2009 Hi ipl, da sprichst du ein sensibles Theme des Rechnungswesens an. Klar ist, dass bei hochkomplexen oder sehr illiquiden Papieren eine Bewertung zu Marktpreisen sinnfrei oder unmöglich ist. Dann wechselt man zu Mark-To-Model aber hier ist eben dem Betrug Tür und Tor geöffnet. Ist ja bei ganz normalen Derivaten auch schon der Fall. Ich halte das wie Charlie Munger: Der ganze CDS/CDO Markt gehört geschlossen und für die restlichen Derivate ein strenges Niederswertprinzip, zur Not eben zu Null Euro. Naja, wenn die Autoren recht haben, dann muss man den Markt gar nicht schließen - kein Investor bei Verstand wird die Papiere zukünftig freiwillig kaufen. Findest du nicht, dass du da den Blickwinkel ein wenig verengst? Das, was die Autoren euphemistisch "lemon" nennen, ist schlichtweg Betrug und diesen kann man auch nicht mit noch so elaborierten Wahrscheinlichkeitsrechnungen aus der Welt schaffen. Wenn man bei einer Hypothek nichts über seine Einkommensverhaeltnisse und nichts über seine Vermoegensverhaeltnisse angeben muss, kann es sicherlich sein, dass 5, 10 oder vielleicht sogar 25 % der Menschen diesem nachkommen und ihren Zahlungsverpflichtungen auch nachkommen, aber dieser Weg ist eindeutig eine Sackgasse. Wenn man sich darüber hinaus auch noch anschaut, dass Erwerber mancher CDO's nicht einmal in der lage waren, ihre vermeintlichen Rechtstitel geltend zu machen, ist der Ansatz dies über eine Krise des Rechtsstaates und der Dokumentation bzw. die Anreizsysteme der Akteure zu verstehen, um einiges zielführender, als all diese Dinge auszuklammern und mithilfe der Stochastik zu eliminieren. Ich meine, kann ein Baustein sein, und dieser Post ist vielleicht ein weiterer. Bis denn Auf was verenge ich bzw. die Autoren den Blickwinkel? Die "Lemons" sind nicht nur Hypotheken an Leute, die keine Angaben über ihre Verhältnisse gemacht haben, sondern allgemein Kredite mit geringem Erwartungswert der Rückzahlung. Das Paper versucht das Problem nicht "mithilfe der Stochastik" zu "eliminieren", sondern zeigt umgekehrt, dass der Rechtsstaat da wenig bis keine Chancen hat, das Problem in seiner Allgemeinheit zu lösen. Einige konkrete Fälle kann man sicherlich regulieren, aber das Problem wird auch dann bestehen bleiben, wenn die Rechtstitel geltend gemacht werden können und die Angaben über finanzielle Verhältnisse der Schuldner vorliegen. Es geht also eigentlich umgekehrt, um eine sehr viel breitere Betrachtungsweise als die, die du hier vorschlägst. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Stephan09 Oktober 29, 2009 · bearbeitet Oktober 29, 2009 von Stephan09 Nein, das sind zwei verschiedene Probleme: 1. Die Menschen, die Kredite aufnahmen, wurden ermutigt, falsche Angaben zu machen bzw. sie wurden angwiesen, die entsprechenden Stellen auszulassen, damit sie der Vermittler ausfüllt; und das ist kein Randphaenomen: Sogar das FBI hat in seinem Jahresbericht 2005 darauf hingewiesen, dass es zu einem "epidemischen" Missbrauch bei den Hypotheken gekommen sei. Das ist zwei Jahre bevor die Welt Kopfüber stand. 2. Die Kaeufer vertrauten so sehr auf die S&P Ratings bzw. den anderen vom Kartell (wobei ich eine europaeische Ratingagentur für sinnloses Prestigegehabe halte, die nichts an dem Grundproblem aendert, naemlich dass die Prüfer von den Geprüften bezahlt werden), dass sie die aktualen Forderungen überhaupt nicht mehr durchsahen. Mache ich dir einen Vorschlag: Ich verkaufe dir ein Bündel Hypothekenkredite aus den USA, ich kann dir nicht wirklich sagen, wo die sind, oder wer sich dahinter verbirgt, aber ich habe einen guten Namen sagen wir, Deutsche Bank und ich habe meine Moody's Stempel AAA. Was kann man noch dagegen sagen? Deine Stochastik ist sicherlich ein Grund, aber genauso sollte man sehen, dass es großangelegter Betrug war, wobei sich die entsprechenden Kartelle selbst bereicherten. Und die ordentliche Dokumentation muss gegeben sein, ansonsten sind die entsprechenden "Wertpapiepere" einfach Klopapier, genauso wie der freie Markt ohne den Staat als ideeler Gesamtkapitalist, der ihn mit seinem Gewaltmonopol durchsetzt, Nonsens ist. Aber da wird wohl deine Theologie und meine Ideologie niemals übereinstimmen. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
ipl Oktober 29, 2009 Deine Stochastik ist sicherlich ein Grund, aber genauso sollte man sehen, dass es großangelegter Betrug war, wobei sich die entsprechenden Kartelle selbst bereicherten. Und die ordentliche Dokumentation muss gegeben sein, ansonsten sind die entsprechenden "Wertpapiepere" einfach Klopapier, genauso wie der freie Markt ohne den Staat als ideeler Gesamtkapitalist, der ihn mit seinem Gewaltmonopol durchsetzt, Nonsens ist. Aber da wird wohl deine Theologie und meine Ideologie niemals übereinstimmen. Vielleicht nochmal zur Klarstellung: die "Stochastik" (übrigens nicht "meine", sondern die der Autoren) ist keine Rechtfertigung für den Betrug, sondern eine wissenschaftliche Begründung, warum dieser möglich war, ist und wahrscheinlich auch sein wird, wenn der Markt nicht kollabiert oder geschlossen wird. Denn eigentlich könnte man sich durchaus wundern, warum man die Papiere nicht ordentlich analysieren kann - und sie erklären das eben. Auch eine "ordentliche Dokumentation" ändert wenig am Problem selbst, wie die Autoren darlegen. Allerdings sind ihre Annahmen in diesem Bereich aus meiner Sicht etwas idealisiert und evtl. schlecht auf reale Gegebenheiten übertragbar. Ansonsten stimmen wir doch darin überein, dass die Wertpapiere (zumindest aus der Sicht eines potentiellen Käufers) "Klopapier" sind (wenn auch nicht immer aus der Sicht des Inhabers). Wo siehst du also den Konflikt, den du hier heraufbeschwörst? Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Stephan09 Oktober 29, 2009 · bearbeitet Oktober 29, 2009 von Stephan09 Vielleicht nochmal zur Klarstellung: die "Stochastik" (übrigens nicht "meine", sondern die der Autoren) ist keine Rechtfertigung für den Betrug, sondern eine wissenschaftliche Begründung, warum dieser möglich war, ist und wahrscheinlich auch sein wird, wenn der Markt nicht kollabiert oder geschlossen wird. Denn eigentlich könnte man sich durchaus wundern, warum man die Papiere nicht ordentlich analysieren kann - und sie erklären das eben. Ok. Ich bin auch nicht der Meinung, dass man dies alles rigoros verbieten sollte, nur, dass bevor man mit stochastischen Instrumenten diese Papiere analysiert, sie auch rechtlich einwnandfrei bewerten kann; und mal nebenbei, dieses Papier plaediert für eine Generalautonomie für alle Akteure und das kann ich beim besten Willen nicht akzeptieren. Auch eine "ordentliche Dokumentation" ändert wenig am Problem selbst, wie die Autoren darlegen. Allerdings sind ihre Annahmen in diesem Bereich aus meiner Sicht etwas idealisiert und evtl. schlecht auf reale Gegebenheiten übertragbar. Finde ich jetzt ein wenig schwach: Entweder du widerspricht meiner Position nicht oder versuchst sie zu widerlegen. Ansonsten stimmen wir doch darin überein, dass die Wertpapiere (zumindest aus der Sicht eines potentiellen Käufers) "Klopapier" sind (wenn auch nicht immer aus der Sicht des Inhabers). Wo siehst du also den Konflikt, den du hier heraufbeschwörst? Du (bzw. die Autoren dieses Papiers) gehen aus meiner Sicht den zweiten Schritt vor dem ersten: Sie versuchen den recovery value eines Papiers zu berechnen, dessen Rechtstitel überhaupt nicht gesichert ist (ich kann die Tage gerne mal ein paar links einstellen, dass entsprechende Kaeufer mit dem Kauf den Wert auf nichts erworben haben. Ich habe Guido und seine Wahl noch nicht wirklich verdaut und ich freue mich nur bedingt, wenn man sich für seine Auftritte im Ausland schaemen muss. Aber egal. Der "Grundkonflikt" ist halt, dass die Autoren versuchen, belastbare Ergebnisse auf unbelastabaren Praemissen zu erreichen. Und dies führt imo in eine Sackgasse. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Schinzilord Oktober 29, 2009 Du sagst, dass kein Mensch bei Verstand die Papiere handeln würde. Angenommen, es handeln Menschen (ohne Verstand) die Papiere (weil sie es nicht besser wissen). Lässt sich dann mit einem (vermeintlichen) Informationsgewinn eine Outperformance erreichen? Also auch wenn das so richtig ist wie angenommen, die Psychologie der Marktteilnehmer das wieder wettmacht und trotzdem ein munterer Handeln weiterhin stattfindet? Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
chartprofi Oktober 29, 2009 · bearbeitet Oktober 29, 2009 von chartprofi leider sind die links in english und ich habe keinen bock mir das reinzuhelfen die entstehung von cdo´s ist ja schon abenteuerlich ... es wird ein kredit bei einer bank abgeschlossen ... dieser kredit wird von einer versicherungsanstalt ausfallversichert ... das heißt die bank bekommt geld falls der schuldner nicht zahlt ... diese ausfallversicherung nennt man cds (credit default swap) ... das risiko ist also beim versicherer der versicherer nimmt mehrere cds und schnürt damit einen CDO .... diesen cdo verkauft er wieder an die bank ... als geldanlage und nicht als risiko da muß man sich doch an die rübe fassen ... da könnte die bank ja gleich jedes risiko als kapitalanlage ausweisen ... das wäre aber bilanzfälschung ... also macht man es über einen umweg Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Stairway Oktober 29, 2009 Naja, wenn die Autoren recht haben, dann muss man den Markt gar nicht schließen - kein Investor bei Verstand wird die Papiere zukünftig freiwillig kaufen. Da darf ich Schopenhauer zitieren: "Die meisten Menschen verlieren ihren Verstand deshalb nicht, da sie keinen haben!" Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
berliner Oktober 29, 2009 Naja, wenn die Autoren recht haben, dann muss man den Markt gar nicht schließen - kein Investor bei Verstand wird die Papiere zukünftig freiwillig kaufen. Nur sind drei von vier Investmentbankern ganz sicher keine Informatiker B) Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag