asherah Dezember 14, 2008 Ich habe die letzten Tage über meiner eigenen Assetallokation gegrübelt und bin zu der Auffassung gekommen, dass mich der "übliche" Ansatz nicht zufriedenstellt. Unter "üblichen" Ansatz verstehe ich das Abstellen auf "den" zeitlichen Anlagehorizont unter Berücksichtigung der Risikogeneigtheit, also für den Langfristanleger z.B. das beliebte 70 % Aktien, 10 % RK 2 und 20 % Staatsanleihen. M.E. leidet dieser Ansatz aber darunter, dass es "den" Anlagehorizont bei den meisten Anlegern für das gesamte (!) Geld nicht geben dürfte, sondern für verschiedene Beträge unterschiedliche Allokationen sinnvoll sind, da sie unterschiedlich zeitnah und/oder sicher benötigt werden. Beispiel: Gegeben ist ein Anleger mit einem Vermögen von 250.000 Euro (ohne Berücksichtigung eigene Immobilie, Sachwerte etc.). Ich würde als Stufe 1 eine Notfallrücklage bilden, welche für 5 Monate alle eventuellen Ausgaben decken kann. Fiktiv wähle ich hier 20.000 Euro. Dieses Geld sollte man nur in Tagesgeld anlegen, sprich 20.000 Euro RK 0 -> Tagesgeld. Stufe 2 Der Anleger geht weiter davon aus, dass er im Laufe der nächsten 5 Jahre ein neues Auto kaufen möchte und eine Renovierung des Daches ansteht. Fiktiv wähle ich hier 60.000 Euro. Dieser Betrag muss nicht täglich verfügbar sein und die Anschaffungen können zeitlich frei gewählt werden, es kann also eine Anlage in eine Risikoklasse erfolgen, die auch kleineren Wertschwankungen unterliegt, indes aber auf einen Horizont von 5 Jahren höhere Renditen bietet. Wir bewegen uns also in der Risikoklasse 1 mit Kurzläufern, BuSchas etc. (wenn wir mal wieder den "Normalzustand" haben, dass Tagesgeld nicht deutlich mehr bietet ) Zwischenstand 20.000 Euro RK 0 60.000 Euro RK 1 In die Stufe 2 können auch Beträge aus der Motivation eingestellt werden, sichere Kapitaleinnahmen zu erzielen, sprich: 500 Euro im Monat für was auch immer (Zuschuss für studierendes Kind zB) sollen als regelmäßige Einnahme aus dem Kapital erzielt werden, dann würde unter Berücksichtigung des zu erzielenenden Zinssatzes eine entsprechende Anlage erfolgen. Des weiteren würde sich mit zunehmenden Alter die Bedeutung der Stufe 2 verschieben, da der Anleger mit Wegfall der Einnahmen aus beruflicher Tätigkeit stärker auf die Kapitaleinnahmen angewiesen sein wird, und dann z.B. als Aufbesserung der Rente monatliche Kapitaleinnahmen von 1.250 Euro erzielen will. Diese Sicherheit könnte er zum einen durch teilweisen Verzehr des Kapitalstocks erreichen, zum anderen aber auch schlicht als Kapitaleinkünfte unter Beibehaltung des Kapitalstocks. Stufe 3 Auf dieser Stufe legt der Anleger Gelder an, welche er langfristig für den Vermögensaufbau Zielrichtung Altersvorsorge anlegen will. Ein einfacher Reflex wäre hier: 100 % in Aktien, denn es geht um eine Langfristanlage und es sind ja schon andere Positionen vorhanden, welche das Risiko reduzieren. Dieser Ansatz ist m.E. aber nicht vorzugswürdig, da er übersieht, dass die Gelder der Stufe 1 nach einer Krise (Dach mußte umfangreicher saniert werden) bzw. der geplanten Ausgabe in der Stufe 2 "weg" sind. Sprich, der Anleger würde in diesem Fall mit einer Vermögensallokation darstehen, die weder seinem Risikoprofil noch einem ausgewogenen Portfolio entsprechen würde. Man könnte zwar anführen, dass er diese Umschichtung auch durch den Verkauf von Aktien vornehmen kann, aber die wäre im Dezember 2006 sicher leichter gefallen als im Dezember 2008 (abgesehen davon, dass wir im Dezember 2008 sogar eine Umschichtung von gerade schlecht gelaufenen in gut gelaufene Assets hätten, was die Rendite langfristig reduzieren dürfte). Daher sollte die Anlage der Gelder der Stufe 3 eine Verteilung auf Assetklassen vorsehen, wobei der Anlegen hier aufgrund der Disposition in den Stufen 1 und 2 wirklich langfristig denken und damit RK3 übergewichten kann. Wählen könnte er also zB 15 % RK 1, 10 % RK 2 und 75 % RK 3. Fiktiv würde dies für die verbleibenden 170.000 bedeuten: 25.500 Euro RK 1, 17.000 Euro RK 2 und 127.500 Euro RK 3 Faßt man die Stufen zusammen bedeutet dies: 20.000 Euro Tagesgeld als RK 0 = 8 % 85.500 Euro RK 1 = 34 % 17.000 Euro RK 2 = 7 % 127.500 Euro RK 3 = 51 % und damit eine erheblich konservativere Allokation, als man ihm sonst als Gutverdiener mit dem Ziel des langfristigen Kapitalaufbaus empfehlen würde. Erst wenn man den Aktienanteil der Stufe 3 auf 100 % setzen würde, käme man auf einen Gesamtanteil von knapp 70 %! Was meint Ihr dazu? Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Emilian Dezember 14, 2008 · bearbeitet Dezember 14, 2008 von Emilian Ziemlich gut dargelegt - Respekt! Die 70% sind keine feststehende Größe. Wenn Dein Anlagehorizont für Teile des Geldes kürzer ist, dann senkt man natürlicherweise das Risiko des Gesamtportfolios in der von Dir dargestellten Weise. Sehr verkürzt kann man es so erläutern: Anteil an RK3 ist zum Geld verdienen, Anteile an RK2+RK1 dienen dazu Dein Risiko zu senken. Die Stärke dieser Anteile legt Deine Rendite und/oder Risiko fest. Diese Stärke legt Du also nach Deinem persönlichen Lebensumständen, Alter, etc. fest. GRuß Emilian. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
asherah Dezember 14, 2008 · bearbeitet Dezember 14, 2008 von asherah Ich glaube, dass dieser Rechenweg (im Kopf) zu einer Assetallokation wie von mir beschrieben führt, ist für viele kein Selbstgänger. Ich würde als Begründung die verschiedenen Webseiten, Bücher etc. heranziehen, die mit Fragen und Antworten zu einer Assetallokation kommen nach dem Motto "Sie sind der risikobewußte Anleger, der die Risiken des Kapitalmarktes im Interesse höherer Renditen in Kauf nimmt. Sie sollten mind. 80 % Aktienanteil haben." Auch solche bekannten "Modelle" wie 100 - Lebensalter = Aktienanteil, nehmen keine Rücksicht auf meine Erwägungen Ich habe das Gefühl, dass der schon qualifizierte Nomalanleger eher Pi*Daumen verfährt. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Emilian Dezember 14, 2008 · bearbeitet Dezember 14, 2008 von Emilian Ich find Deine Allocation ziemlich gut hergeleitet. Im Buch "The intelligent Asset-Allocation" (Bernstein) findet man es sinngemäß so erklärt: Du hast ein Aktienportfolio (RK3) und Du bestimmst selbst mit der Beimischung von RK1 und RK2 Dein persönliches Risiko. Wichtig ist halt die eigene Toleranz zum Risiko zu kennen. oder ein anderer Autor hat mal folgenden Vergleich herangezogen: Portfolio = Fussballmannschaft RK1 = Verteidiger RK2 = Mittelfeldspieler RK3 = Stürmer und Du bist halt der Trainer und möchtest ein erfolgreiches Spiel absolvieren. Der Vergleich mag primitiv erscheinen, aber er hat was. GRuß Emilian. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Hedger99 Dezember 14, 2008 Gerade gestern habe ich ein interessantes Buch gelesen: So schützen Sie Ihr Vermögen das eine ähnliche Asset Allocation vorschlägt wie von Dir beschrieben. Im Standardfall wird den verschiedenen Zeithorizonten gar nicht richtig Aufmerksamkeit beschrieben. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Fleisch Dezember 14, 2008 · bearbeitet Dezember 14, 2008 von Schnitzel ein Problem sehe ich in deinem Ansatz, wenngleich mir die Herleitung gefällt und sich in wesentlichen Teilen mit denen von Supertobs Musterdepots deckt, nämlich die, dass nicht jeder Anleger 200.000 Euro auf der Bank liegen hat. Viele hantieren eher so mit Summen zwischen 10.000 Euro und 100.000 Euro, wodurch sich tendenziell ein entscheidendes Problem ergibt: Diese Leute müssten offensiver anlegen um Geld zu erwirtschaften, tun es aber häufig nicht, da ihr Liquiditätspuffer nicht groß genug ist und ihr Hang zum Risiko eher gering, da das Geld was sie haben in jeden Fall erhalten bleiben soll. Diejenigen, die genug haben dagegen legen offensiv an und vermehren ihr Geld, da sie sich keine Sorge machen müssen, da der Kapitalbestand ausreichend groß ist, sie häufig relativ gut verdienen und nicht beim ersten Konjunkturabschwung arbeitslos werden. Hieraus ergibt sich auch die gesellschaftliche Spannung zwischen der überspitzt formulierten Unter- und Oberschicht, dass Reiche immer reicher werden und Arme arm bleiben. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Emilian Dezember 14, 2008 wodurch sich tendenziell ein entscheidendes Problem ergibt:Diese Leute müssten offensiver anlegen um Geld zu erwirtschaften, tun es aber häufig nicht, da ihr Liquiditätspuffer nicht groß genug ist Theoretisch geht das zu offensive Anlegen für die Mehrzahl dann aber nach hinten los, meinste nicht? Gruß Emilian. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
asherah Dezember 14, 2008 · bearbeitet Dezember 14, 2008 von asherah Hieraus ergibt sich auch die gesellschaftliche Spannung zwischen der überspitzt formulierten Unter- und Oberschicht, dass Reiche immer reicher werden und Arme arm bleiben. Da hast Du leider Recht. Wie Oma schon sagte: Der Teufel schei*** halt auf den dicksten Haufen. Indes hat auch der Anleger die Möglichkeit mehr in RK 3 zu gehen, wenn er Ausgaben der Stufe 2 zurückstellt. Es zwingt leider zur Abwägung schnelle "Befriedigung durch Ausgabe" gegen "langfristiger Vermögensaufbau". Denn wenn wir ein kleines Vermögen von 50.000 Euro nehmen und keine Konsumschulden unterstellen, wäre hier nach einer Rücklage von 3 Gehältern a zB 2.000 Euro reichlich Luft für Aktien. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Fleisch Dezember 14, 2008 50.000 ist für die meisten schon ne ordentliche Hausnummer. Das würd' ich aus Sicht der meisten Anleger nicht als klein bezeichnen Ob das zu offensive Anlegen bei den meisten nach hinten losgeht weiß ich nicht. Was ich aber weiß ist, dass der Deutsche wenn er sich die Finger verbrannt hat an etwas, nicht unbedingt dann eine Fehleranalyse macht, sondern pauschaliert. Bestes Beispiel ist die Aktie der Deutschen Telekom. Da hat fast jeder investiert, der überwiegende Teil ne Menge Geld verloren und seitdem sind Aktien für einen Großteil davon was ganz böses und hinterhältiges. Die Beispielliste könnte ich jetzt noch auf Lebensversicherungen, Riesterverträge und und und erweitern, aber damit kämen wir vom Thema ab. :- Ich sehe für die Leute mit deutlich kleineren Depots einfach nur die Möglichkeit einen sehr detailierten Investitions- und Finanzierungsplan aufzustellen um zu prüfen wie die Gelder verteilt werden müssen. Entsprechend dürfte/sollte bei vielen Anlegern der Aktienanteil gering sein. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag