Grumel Oktober 29, 2008 Eine der meiner Ansicht vielversprechenderen, Market Timing Methoden ist sich an den zu und Abflüßen in Aktienfonds zu orientieren. Das heist natürlich noch nicht viel, da Market Timing bekanntlich praktisch garnicht funktioniert. Starke Abflüße von Fond sind hierbei ein Indikator für steigende, zuflüße für fallende Kurse. Derzeit haben wir eine Situation extrem starker Abflüße. Der Aktienanteil am Depot von Privatanlegern sinkt also nichtnur durch fallende Kurse, sondern nochmal zusätzlich durch realocation von Geldern heraus aus Aktien. Market Timing wirft allerdings auch in nicht 100%ig effizienten Märkten Probleme auf: -Direkte Kosten in Form von Gebühren/spreads -Indirekte Kosten in Form einer Abweichung eines Depots das nichtmehr dem eigenen Chance Risikoprofil entspricht und schlechter diversifiziert wird. Dieser Kostenpunkt wird größer sobald man stärker von der ursprünglichen Alokation abweicht. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
schinderhannes Oktober 30, 2008 Starke Abflüße von Fond sind hierbei ein Indikator für steigende, zuflüße für fallende Kurse. Kannst du das mal kurz erläutern ? Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
balu09 November 22, 2008 Die folgende Abbildung zeigt oben den "Net new cashflow into stock funds" seit Januar 200 und unten den S&P 500 über denselben Zeitraum. Deutlich ist die hohe Korrelation von "Abflussspitzen" mit Markttiefs zu erkennen. Zum Zwecke der Bestimmung eines Bärenmarkttiefs (Timing) ist der Indikator jedoch nicht einsetzbar, da kein Grenzwert definiert werden kann, dessen Überschreiten ein Markttief tatsächlich anzeigen könnte. Auf gut deutsch: Wer weiß schon, wann das Maximum der Mittelabflüsse erreicht ist und sich der Wert nicht doch noch erhöhen kann. So wurden im September dieses Jahres 56 Mrd $ aus Aktienfonds abgezogen. Interessant ist dabei, dass ein etwa gleichhoher Abfluss im Juli 2002 (52 Mrd $) quasi das damalige Bärenmarkttief markierte. Am 19. Juli 2002 stand der S&P am Tief bei 877 Punkten. Dieser Wert wurde mit 785 Punkten am Oktobertief (am 7.10.02) nur sehr kurzzeitig unterschritten und stellte sich dann am 10. März 2003 (807 Punkte) als Startpunkt der bombastischen Erholungsrallye dar. Wichtig erscheint mir hierbei die Tatsache, dass der "Peak" im Juli 2002 preislich faktisch den Tiefpunkt darstellte und sich die Mittelabflüsse ab diesem Monat kontinuierlich erholten, bis im April 03 erstmals wieder deutliche Zuflüsse zu verzeichnen waren. Genau zu dieser Zeit (März/April 03) begann dann die 5-Jahres-Hausse. Dieses Niveau der Mittelabflüsse (rund 50 Mrd $) konnte in diesem Bärenmarkt den Preisverfall jedoch nicht stoppen. So ist der S&P seit dem extremen Abfluss im September von rund 900 Punkten weiter auf 750 Punkte runtergekracht. Die Zahlen für Oktober sind noch nicht veröffentlicht (oder hat jemand eine aktuellere Quelle?), verheißen aber nichts gutes, wenn man sich den Preisverfall ansieht. Also wie weiter oben schon gesagt, es ist interessant die Zahlen zu beobachten, aber zum Timing sind sie leider nicht zu gebrauchen. Es kann leider keinen definierten Schwellenwert geben, der eine Marktumkehr anzeigen würde. Was man aber sieht ist, dass die aktuelle Krise vor diesem Hintergrund eine größere Dimension annimmt, als die 2000er Krise. Und eben genau wegen dieser "Überdimensionalität" der aktuellen Krise kann ich momentan nicht an einen tragfähigen Boden glauben, sondern rechne mit weiter fallenden Preisen. Die letzte "Bärenmarktrally" war nach ganzen 6 Tagen beendet und ihr sehr rascher Abverkauf endete im Bruch des Jahrzehnttiefs. Der gestrige Kursgewinn ist in meinen Augen eine Farce gewesen - nach 2 Kapitulationstagen in Folge mussten die armen Börianer bis zum späten Abend auf die Meldung warten, dass die USA in 2 Monaten einen neuen Finanzminister bekommen. Und dann sprang die Kaufmaschine an... Ist doch ein Armutszeugnis... Es gibt momentan dem Wirtschaftsgeschehen einfach nichts nachhaltig Positives abzugewinnen - im Gegenteil, es stehen noch einige Branchen aus, die von der überraschenden "Plötzlichkeit der Krise" (O-Ton SAP-Chef Kagermann) erst noch überwältigt werden müssen... Bevor ich bullisch werde, müssen erstmal die Preise steigen. Bis dahin bleibe ich short: Forget the drama, trade with the trend. Gruß Balu Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
harryguenter November 22, 2008 · bearbeitet November 22, 2008 von harryguenter Naja ich weiß nicht ob das wirklich ein Indikator ist. Aktienkurse fallen weil mehr Angebot als Nachfrage vorhanden ist. Angebot an Aktien entsteht wenn Leute mit der Lemmingehertde zusammen auch Aktienfonds verkaufen. Damit einhergehend habe ich natürlich Mittelabflüsse aus Aktienfonds. Da der Indikator nicht vorausläuft habe ich auch keinen Informationsvorsprung. Der sogenannte Indikator "Nettomittelabflüsse" und seine Auswirkung "fallende Kurse" sind für mich ein und dieselbe Seite einer Medaille. Ich bin bezüglich des Marttimings auch anderer Meinung als Grumel (wir hatten das ja auch schon mehrfach), es ist für mich ein zwingendes Muss bei der Aktienanlage. Ich meine damit kein kurzzeitiges lesen/vorhersagen von Kursentwicklungen, aber über mehrere Jahre hinweg betrachtet kann und muß man ein bestimmtes Timing einhalten welches tendenziell zu günstigen Kaufkursen und teueren Verkaufskursen führt. Beipiel: Ein Aktieninvestment in den DAX von vor 10 Jahren (durchaus schonmal gerne langfristig genannt) hat heute ungefähr minus 10%. Zwischenzeitlich war man 2 Mal fast doppelt so reich und einmal weniger als halb so reich wie zum Einstiegszeitpunkt gewesen. Der vielzitierte Langfristinvestor mit 20 Jahren Anlagehorizont hätte jetzt also die Hälfte seiner Zeit verbraucht und eine negative Rendite eingefahren. Es sind also die wenigen entscheidenden Jahre die ein Ergebnis der Aktienanlage ausmachen. Mein Fazit: Es sollte ein Markttiming möglich sein, dass in diesen 10 Jahren im Bereich von 6000-8000 DAX Punkten zu einem (Teil-)verkauf von Beständen und bei 2000-5000 DAX Punkten zu einem Nachkauf führt. Und wer die Märkte über diesen Zeitraum beobachtet hat, der hat die Übertreibungen in beide Richtungen tendenziell durchaus spüren können. Als Schmankerl gabs für die nicht-, bzw. unterinvestierte Zeit noch ein paar Zinsen oberndrauf. Selbst den "eisernen Langrfristanlegern" wie Grumel empfehle ich wenn das geplante Ende der Anlagedauer in 5 Jahressichtweite kommt, bei hohen Kursen (im historischen Vergleich) in Renten umschichten - auch wenn man noch ein paar Prozent liegen läßt. Das genau zu tun ist aber strenggenommen auch schon Timing. Wer das nicht tut wird in der Entnahmephase den negativen Cost Average Effekt (=harmonisches Mittel ich weiss) kennenlernen: zu niedrigen Kursen viele Anteile verkaufen und zu dann hohen kursen weniger. Oder alternativ: in Börsenschwächezeiten Wasser und Brot statt Sekt und Kaviar essen wenn er stets dieselbe Anteilszahl verkauft. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
balu09 November 22, 2008 Naja ich weiß nicht ob das wirklich ein Indikator ist.Aktienkurse fallen weil mehr Angebot als Nachfrage vorhanden ist. Angebot an Aktien entsteht wenn Leute mit der Lemmingehertde zusammen auch Aktienfonds verkaufen. Damit einhergehend habe ich natürlich Mittelabflüsse aus Aktienfonds. Da der Indikator nicht vorausläuft habe ich auch keinen Informationsvorsprung. Der sogenannte Indikator "Nettomittelabflüsse" und seine Auswirkung "fallende Kurse" sind für mich ein und dieselbe Seite einer Medaille. Ich wollte die Sache etwas differenzierter betrachten. Natürlich stellt sich ein Angebotsüberhang ein, wenn die Nachfrage aufgrund von Mittelabflüssen sinkt (ein zweites wichtiges Rädchen im System ist noch die Cashquote der Fonds, die sich unabhängig von den Mittelflüssen verändern kann). Auch ist klar, dass der "Indikator" ein nachlaufender ist, da die Zahlen erst 2 Monate später bekanntgegeben werden und man dadurch tatsächlich keinen Wissensvorsprung erhält (den hätte man auch nicht bei zeitnaher Veröffentlichung). Mir kam es darauf an, die Höhe der Septemberabflüsse (56 Mrd) ins Verhältnis zu setzen mit den Abflüssen im Juli 02 (52 Mrd). Diese Höhe ist faktisch gleich. Der Unterschied besteht darin, dass dieser Wert 2002 praktisch das preisliche Bärenmarkttief begleitete, dies aber im aktuellen Bärenmarkt nicht der Fall ist, da die Kurse bereits 1 Monat später deutlich unter das Septembertief (welches von den 56 Mrd Mittelabflüssen begleitet wurde) gefallen sind. Daraus ziehe ich die einfache und eigentlich unspektakuläre Schlussfolgerung, dass die aktuelle Krise von den Anlegern als bedrohlicher erachtet wird, als die 2000er Krise. Als nachlaufender "Angstmesser" eignen sich die Daten sehr gut und man erkennt deutlich, dass die "52-Mrd-$-Angst" 2002 ein Sentiment-Extrem darstellte, während die "56-Mrd-$-Angst" in 2008 noch nicht für einen Boden ausreichte. Also wird die Dimension der aktuellen Krise als größer erachtet als die der 2000er Krise. Ich sehe das aktuelle Sentimentextrem jedoch nicht als Contrarian-Kauf-Signal (es gibt hier keine Schwellenwerte), sondern eher als Zeichen dafür, dass wir das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht haben. Begründung: Von 2000 bis 2003 wurde die vorhergehende starke Aufwärtsbewegung (ab Januar 1995) bis zum 61er Retracement korrigiert. Akuell hat der S&P dieselbe Aufwärtsbewegung (deren Top immer noch zählt) ebenfalls bis zum 61er Retr. korrigiert. Wenn die Finanzkrise/Weltrezession jetzt also als sehr viel bedrohlicher eingeschätzt wird (und ist!) als die 2000er-Krise, warum sollte dann der Preisverfall am gleichen Punkt stoppen wie bei der vorangegangenen Krise? Davon abgesehen stimme ich ganz klar mit dir überein (und habe das auch explizit geschrieben), dass die Daten nicht zu Timingzwecken verwendbar sind. Für mich sind sie ein nachlaufender Sentimentindikator. Zum Timing (das ich für unverzichtbar halte) gibt es sehr viel bessere Indikatoren! Gruß Balu Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
balu09 November 22, 2008 *dem Titel noch ein "t" geschenkt* Sorry - wollte eigentlich nicht zweimal das Gleiche sagen, hatte aber das Gefühl dass harryguenter meine Intention nicht richtig verstanden hat.... Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
balu09 November 22, 2008 Was wolltest du dann mit dem "Titel-t" sagen? Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Fleisch November 22, 2008 dass im Titel ein "t" fehlte, welche ich hinzugefügt habe Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
H.B. November 23, 2008 Ich wollte die Sache etwas differenzierter betrachten. Natürlich stellt sich ein Angebotsüberhang ein, wenn die Nachfrage aufgrund von Mittelabflüssen sinkt (ein zweites wichtiges Rädchen im System ist noch die Cashquote der Fonds, die sich unabhängig von den Mittelflüssen verändern kann). Auch ist klar, dass der "Indikator" ein nachlaufender ist, da die Zahlen erst 2 Monate später bekanntgegeben werden und man dadurch tatsächlich keinen Wissensvorsprung erhält (den hätte man auch nicht bei zeitnaher Veröffentlichung). Gruß Balu These: Der Mittelabfluß aus den Fonds gibt eine gute Indikation über das tatsächliche Verhalten von mittelfristig orientierten Privatanlegern und ergänzt damit Sentiment-Erhebungen. Konsequenz: Ein überproportionaler Mittelabfluß kann als "Kapitulationsindikator" eingesetzt werden. Damit wird eine Bodenbildung wahrscheinlicher. Man muss daraufhin ja nicht auf steigende Kurse schließen. Es ist ja auch schon hilfreich, wenn man stark fallende Kurse in der Projektion vernachlässigen kann, oder? Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
balu09 November 23, 2008 · bearbeitet November 23, 2008 von balu09 These: Der Mittelabfluß aus den Fonds gibt eine gute Indikation über das tatsächliche Verhalten von mittelfristig orientierten Privatanlegern und ergänzt damit Sentiment-Erhebungen. Konsequenz: Ein überproportionaler Mittelabfluß kann als "Kapitulationsindikator" eingesetzt werden. Damit wird eine Bodenbildung wahrscheinlicher. Man muss daraufhin ja nicht auf steigende Kurse schließen. Es ist ja auch schon hilfreich, wenn man stark fallende Kurse in der Projektion vernachlässigen kann, oder? Hi! Genau da sehe ich momentan das Problem; ich glaube nicht, dass der Mittelabfluss im September überproportional war. 1. Angesichts des Ausmaßes der Krise und 2. wegen des prozentualen Verhältnisses zum Gesamtvermögen der Fonds. Folgende Abbildung (Quelle Marktdaten.de) zeigt u.a. die größten monatl. Abflüsse in Bezug zu den "Total assets" der Fonds: Wie man sieht, lagen die Extrema meist zwischen 1,5% und 1,7% vom Gesamtvermögen. Nur 1987 wurde dieser schöne Richtwert fast um das Doppelte überschritten. Im Juni 2002 hatten die Fonds ein Gesamtvermögen von 3,089 Billionen $ (Quelle ICI.org). Da machte der Abfluss im Juli von 52 Mrd $ prozentual betrachtet rund 1,7% aus. Im August 2008 hatten die Fonds ein Gesamtvermögen von 5,637 Billionen $, d.h. das Vermögen ist in den letzten Jahren um 82 % (!) angestiegen! Nun machen die 56 Mrd Mittelabflüsse im September nur rund 1 % vom Gesamtvermögen aus! D.h. im prozentualen Vergleich ist noch einiges an Abflusspotential vorhanden! Jetzt kennt man natürlich die Oktoberzahlen noch nicht (kommen so um die Monatswende). Anhand des Kursverlaufs müsste es hier aber ordentlich gekracht haben! Gruß Balu EDIT: Auf diesem Chart habe ich die Entwicklung des Gesamtvermögens seit Januar 1998 dargestellt. Der starke Zuwachs seit dem Bärenmarkttief 02/03 ist schön zu erkennen: Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
Grumel November 23, 2008 Hier gibts keinen Krieg. Folglich kann auch niemand kapitulieren. Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
balu09 November 23, 2008 Habe hier nochmal die "Abfluss-Extremwerte" im S&P markiert. Die durchgezogenen Linien zeigen die prozentual höchsten Werte an, die gepunkteten Linien die Höchstwerte bzgl. des Dollarvolumens (absolut). Dabei haben Werte über 1,7% wirklich die Tiefststände begleitet. Da dies aber nur zweimal geschah (Okt 1987 mit 3,1% & Juli 2002 mit 1,7%) ist der Nachweis einer tatsächlich hohen Korrelation nicht zu erbringen. Als Faustformel würde ich für mich dennoch daraus ableiten, dass prozentuale Abflüsse unter 1,7% noch nicht unbedingt als "Kapitulation" oder "Sentimentextrem" zu erachten sind. Gruß Balu Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag
balu09 November 29, 2008 Hier die Updates zum Oktober: Wie zu erwarten war, hat es im Oktober nochmals ordentlich in den Fondskassen gekracht. Es wurden über 72 Mrd $ aus Fonds abgezogen. Setzt man diesen Wert in Relation zum Gesamtfondsvermögen im September, kommt man auf Abflüsse von rund 1,45 %. Dieser %-Wert reicht zwar noch nicht für die "Hall of Fame" (siehe oben), ist aber bei net assets von fast 5 Billionen $ im September schon interessant. Übrigens: Im Oktober wurde fast 1 Billion $ (!!!) Fondsvermögen vernichtet Gruß Balu Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag