Thomas August 22, 2004 Der hohe Ölpreis bringt die Konzerne auf Trab. Mit modernster Technik und Milliardenaufwand forschen Exxon, Shell, BP & Co nach neuen Vorkommen. Der Kampf ums Öl wird härter Schwitzend und schmutzig starren die Männer in der glühend heißen Wüste auf das riesige Rohr, das sie unter großen Anstrengungen in die Erde gebohrt haben. Plötzlich schießt aus der Öffnung eine schwarze Fontäne hoch. Alle jubeln. Öl! Sie haben es geschafft, die Plackerei war nicht umsonst. Unter ihnen wartet ein riesiges Ölfeld nur darauf, angezapft zu werden. Eine schöne Szene. Leider hat sie Seltenheitswert. Denn die Orte, an denen Öl mit relativ geringem Aufwand aus der Erde gepumpt werden kann, sind meist bekannt, erforscht und oft schon weitgehend ausgebeutet. Doch ohne Öl geht es - bisher jedenfalls - nicht. Ölprodukte wie Benzin und Diesel treiben nicht nur Autos an: Der Rohstoff Öl ist der wichtigste Treibstoff der Weltwirtschaft überhaupt. Und das Geschäft rund ums Öl ist die Grundlage ganzer Industrien, etwa der Tankschifffahrt. Um das schwarze Gold ans Tageslicht zu holen, gehen Ölfirmen daher immer aufwendigere Wege und scheuen keine Mühen. Seit Mitte der 80er Jahre hat man über 400 schwimmende Bohrinseln in der Nordsee installiert, bohrt man sich tausende von Metern tief in den Golf von Mexiko und trotzt auch härtesten klimatischen Bedingungen in Sibirien oder Kasachstan. Bei der Suche nach Öl wird nichts mehr dem Zufall überlassen. Der Weg zu den riesigen Ölfeldern tief unter der Erdoberfläche beginnt heute 40000 Meter über dem Meeresspiegel - im Weltraum. Ölkonzerne mieten kommerzielle Satelliten oder kaufen deren Beobachtungsdaten, um Hinweise auf Ölvorkommen zu finden. "Anfangs versuchte man mit Hilfe fotografischer Aufnahmen, ölhaltige Sedimentbecken zu entdecken, später dann über Infrarot. Heute arbeiten wir mit gravimetrischen Aufzeichnungen", erzählt Karl-Heinz Schult-Bornemann von Exxon Mobil Deutschland. Gravimetrisch heißt in diesem Fall, dass der Satellit die Schwerkraft der Erde misst, die nicht überall gleich stark ist. Aus den unterschiedlichen Linien, die sich aus den Aufzeichnungen ergeben, entsteht für die Experten ein Bild der geologischen Struktur der Erde - mit Rückschlüssen darauf, wo Ölbecken liegen. Nach diesem ersten Schritt beginnt in viel versprechenden Regionen die seismische Erforschung vor Ort. Dazu werden Sprengladungen im Untergrund gezündet oder mächtige Unimogs noch zusätzlich mit Platten beschwert, um so ein durchdringendes Rütteln zu erzeugen. Die künstlichen Vibrationen rufen tief in der Erde ein Echo hervor, das mit Geophonen aufgezeichnet wird. Nun können Wissenschaftler eine geologische Feinstruktur erkennen, und Ölfirmen müssen sich entscheiden: Bohren oder das Ganze beerdigen. Billig wird es auf Grund der bereits aufgelaufenen Kosten in keinem Fall. Dazu kommen Aufwendungen für die Bohrung in Höhe von 30 bis 40 Millionen Dollar. Und nur eine von fünf Explorationen in bisher unbekanntem Gebiet ist tatsächlich erfolgreich. Der Menschheit geht das Öl aus, und dann gibt es einen Schock - im Gegensatz zu dieser landläufigen Meinung sind die von offizieller Seite als sicher bestätigten Reserven an Rohöl in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter angewachsen, und auch die jetzt bekannte Menge von fast 172 Milliarden Tonnen ist nur ein Bruchteil des tatsächlich auf der Welt vorhandenen Öls. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch. Die Formel von den sicher bestätigten Reserven beruht auf einer Definition der amerikanischen Börsenaufsicht SEC, nach der Ölvorkommen nur gezählt werden dürfen, wenn sie durch Bohrungen bestätigt und mit heutiger Technik wirtschaftlich zu fördern sind. Tatsächlich werden aber immer noch neue Vorkommen entdeckt, und der technische Fortschritt hat die Förderung laufend billiger gemacht. Allein aus diesen Gründen musste die Gesamtmenge immer wieder nach oben korrigiert werden. Künftig zu erwartende Funde und eine weitere Verbesserung der Fördertechniken sind in den aktuellen offiziellen Statistiken noch überhaupt nicht enthalten. Wie Kanada zur neuen Ölgroßmacht wurde, hat sehr viel mit der Formel von den sicher bestätigten Ölreserven zu tun. Vor zwei Jahren rückte Kanada plötzlich hinter Saudi-Arabien auf Platz 2 der Länder mit den größten Ölreserven der Welt vor. Was war geschehen? Bereits in den frühen 80er Jahren, als das Öl inflationsbereinigt fast doppelt so viel wie heute kostete, begannen die Kanadier mit dem industriellen Abbau ihres ölhaltigen Sandes in der Provinz Alberta. Das war zwar teuer, aber wegen des extrem hohen Ölpreises erstmals wirklich interessant geworden. Unter die sicher bestätigten Reserven wurde der Ölsand bei Abbaupreisen von 36 Dollar je Barrel Öl damals aber nicht gezählt. Auch Ende der 90er Jahre fehlte der Ölsand in den Statistiken. Denn damals war auf den Ölmärkten der Preis für das Barrel - parallel mit dem Machtverfall der OPEC-Länder - auf zehn Dollar gefallen. Heute ist er fast fünfmal so hoch, und aus dem Sand der Provinz Alberta holt man ein Barrel Öl für acht bis zwölf Dollar heraus. Die Folge: Kanada ist zur künftigen Welt-Ölmacht aufgestiegen. Der Anstieg des Ölpreises bis zur 50-Dollar-Marke hat viele Gründe. Allein seit dem Frühjahr 2003 hat er sich verdoppelt. Nach dem kurzen Irak-Krieg hatten damals fast alle Experten mit einer baldigen Beruhigung an der Ölfront gerechnet. Doch die geplante schnelle Wiederaufnahme der Ölförderung klappte nicht - von einer Rückkehr zu einstigen Fördermengen ganz zu schweigen. Zum wackligen Irak kommt ein hypernervöses Saudi-Arabien. Immer wieder gelingen Terroristen kleinere Anschläge. Was, wenn sie ein Ölfeld unter ihre Kontrolle bekommen oder eine Pipeline in die Luft jagen? Zu den Unwägbarkeiten, die den Ölpreis belasten, gehört auch die erst seit wenigen Tagen leicht entspannte Lage in Venezuela. Jeden Tag anders stellt sich dagegen der Nervenkrieg um die Zukunft des russischen Ölkonzerns Yukos dar. Dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Öllieferungen von Yukos jederzeit stoppen könnte, lastet besonders schwer auf dem Ölpreis. Etwa zehn Dollar pro Barrel, so schätzen Experten, macht die "Angstprämie" aus der Summe all dieser Faktoren aus. Preistreibend wirkt auf der anderen Seite die unerwartet hohe Nachfrage. Vor allem China, die asiatischen Tigerstaaten und Indien, aber auch die USA und die boomenden Länder Osteuropas gieren nach Öl und kaufen die Märkte leer. OPEC und Ölkonzerne produzieren schon fast am Rande ihrer Kapazität und haben damit wenig Möglichkeiten, die Lage zu entspannen. Es gibt also nicht zu wenig Öl, sondern zu wenig Förder- und Transportkapazitäten. Weil Öl noch vor fünf Jahren spottbillig war, haben die Produzenten damals nicht investiert. Schließlich kostet eine Bohrinsel eine Milliarde Dollar, und es dauert zehn Jahre, bis sich die Investition amortisiert hat. Nun wird fieberhaft an der Erweiterung der Kapazitäten gearbeitet. Neue Pipelines werden gebaut und Raffinerien modernisiert. Allein auf der russischen Insel Sachalin, nördlich von Japan gelegen, soll die sagenhafte Summe von hundert Milliarden Dollar investiert werden. Weil die Erschließung neuer Quellen aber fünf bis zehn Jahre dauert, wird der aktuelle Engpass den Ölpreis wohl noch auf Jahre hin über 30 Dollar je Barrel halten. Es gibt aber auch gute Nachrichten von der Ölfront. Die Volkswirtschaften sind heute viel weniger vom Öl abhängig als während der Krisen der 70er und 80er Jahre. So lag der Nettoölimport der OECD-Länder vor 25 Jahren bei 2,4 Prozent des Bruttosozialprodukts - heute liegt er bei einem Prozent. Die Konjunktur wird also weit geringer vom Rohöl beeinflusst als früher. Dazu kommt, dass der starke Euro den in Dollar gehandelten höheren Ölpreis gut abfedert und so kaum Inflation entsteht. Andererseits bedeutet die hohe Ölnachfrage in Ländern wie China für den Exportweltmeister Deutschland jede Menge neuer Aufträge. "Die deutsche Konjunktur erhält weiterhin kräftige Impulse aus dem Export", bestätigt Klaus Schrüfer, Chef-Stratege der SEB. Die Billigöl-Zeiten sind wohl tatsächlich vorbei. Aber es gibt Grund zur Annahme, dass der Barrelpreis die magische Marke von 50 Dollar nicht dauerhaft überschreiten wird. Schrüfer geht davon aus, "dass sich mittelfristig die Marktentwicklung beruhigen und der Ölpreis wieder auf unter 40 Dollar fallen wird". Das sehen die Spekulanten genauso, die lange auf einen weiter steigenden Preis gewettet hatten. Die Zahl der offenen Ölkontrakte an der New Yorker Terminbörse ist in letzter Zeit stark zurückgegangen. Und sogar Hedge-Fonds-König George Soros hat soeben all seine Ölinvestments verkauft. « AUF SAND SETZEN Kanada im Kommen Wenn die Ölpreise steigen, dann profitieren die Ölsandunternehmen ganz besonders. Je unsicherer die Versorgung mit Öl aus den Krisengebieten der Welt wird, desto mehr Aufmerksamkeit erfahren die Kanadier. Denn sie können den USA helfen, ihren Energiehunger sicher und auf kurzem Wege zu stillen. Seit Beginn des Irak-Kriegs haben die Aktienkurse von Firmen wie Suncor, Canadian Natural Resources oder Burlington Resources daher insgesamt kräftig zugelegt. Kam es allerdings kurzfristig zu einer Entspannung der weltweiten Ölversorgung, dann gab es eine Delle im Kurs-Chart. Von einem Szenario mittelfristig hoher Ölpreise von über 30 Dollar sollten diese Unternehmen aber auch künftig profitieren können. Denn sie entwickeln ihre Abbautechniken ständig weiter und sind schon heute vielfach in der Lage, das Öl für weniger als zehn Dollar je Barrel aus dem unwirtlichen Norden der Provinz Alberta zu fördern. Der EURO-Favorit unter den Ölsandfirmen ist Talisman Energy. Das Unternehmen erwirtschaftet eine Eigenkapitalrendite von über 18 Prozent und legt kontinuierlich gute Quartalszahlen vor. Und es erweitert ständig seinen Radius. So bauen die Talismänner nicht nur in Kanada Ölsand ab, sondern bohren auch im Dschungel von Peru und in der Nordsee. In Indonesien hat sich Talisman kürzlich sehr große Ölreserven gesichert. Die momentan starken Margen auf Grund der hohen Ölpreise will das Unternehmen aus Calgary vor allem nutzen, um die kapitalintensiven Forschungsbohrungen auszuweiten. Talisman-Chef Jim Buckee hat daher eine Ausweitung des Forschungsetats um 110 Millionen US-Dollar auf insgesamt 2,3 Milliarden US-Dollar für dieses Jahr angekündigt. Das Geld kann bei einem angenommenen Ölpreis von 37,25 US-Dollar allein aus dem Cash-Flow von Talisman aufgebracht werden.(edl) DIE ÖL-WETTE: Die Favoriten heißen BP und Total BP-Chef John Browne hat Grund zur Freude. Am vergangenen Dienstag musste der angeschlagene russische Ölriese Yukos seine Mehrheitsbeteiligung an Rospan, einem wichtigen Erdgas-Joint-Venture, für 357 Millionen Dollar an den Partner TNK-BP verkaufen. TNK-BP wiederum ist ein von BP und dem russischen Ölkonzern Tyumen Oil (TNK) gegründetes Gemeinschaftsunternehmen. Damit ist BP, weltweit die Nummer 2 der Branche, als einziger westlicher Ölkonzern mit einem Joint Venture im weltweit zweitgrößten Ölförderland Russland präsent. Dazu kommt: Dank moderner Ausrüstung fördert TNK-BP im Vergleich zur russischen Konkurrenz mit höheren Margen. Das Erdgas-Projekt Rospan ist eine Perle. Es geht um Erdgasreserven von mehr als 57 Billionen Kubikmetern. Das entspricht einem Fünftel der weltweiten Erdgasförderung. Anleger, die der EURO-Empfehlung im Juli 2003 gefolgt sind und sich statt Yukos die Aktien von BP ins Depot legten, können sich freuen. Auch für die kommenden Jahre sieht es gut aus. Der WTI-Ölpreis soll mittelfristig bis auf 50 Dollar je Barrel steigen und sich langfristig über 35 Dollar halten. Dementsprechend erhöhten die Analysten von JP Morgan ihre Gewinnschätzungen bei Ölförder-Riesen für 2004 im Durchschnitt um fünf und für 2005 sogar um 13 Prozent. Die Aktien von BP sind demnach mit einem 2005er KGV von 9,5 im Branchenvergleich günstig. Die Nummer 1 Exxon Mobil kommt auf ein KGV von zwölf. Starkes Interesse, in die Top-Liga aufzusteigen, wird dem französischen Konzern Total nachgesagt. Eine Übernahme des größeren Konkurrenten Royal Dutch, über die zuletzt heftig spekuliert worden war, sei jedoch unwahrscheinlich, meint Goldman Sachs. Für den Aufsteiger, so die Analysten, spreche aber eine starke Bilanz und ein stabiles Chemie-Geschäft. (kds) Alternative ZUM ÖL Wind ist out, Solar-Aktien könnten jedoch weiter steigen. Besser hätte es sich Frank Asbeck, Chef des Sonnenmodul-Produzenten Solarworld, nicht wünschen können. Am 11. August, als Asbeck die Halbjahresbilanz präsentierte, erreichte der Preis für die Rohölsorte Brent mit 41,45 Euro an der Rohstoffbörse in London den höchsten Wert seit Aufnahme des Handels 1988. Und der Ölpreis steigt weiter. Klar, dass so die Hersteller von Anlagen zur Energiegewinnung aus Quellen wie Luft, Wasser oder Sonnenlicht in den Fokus der Investoren rücken. Doch nicht alle profitieren in gleichem Maße von dem Ölboom. Während die Kursphantasie bei Aktien von Windanlagenbetreibern wegen fehlender profitabler Standorte stark nachgelassen hat, sind Solar-Aktien weiter gefragt. Dementsprechend positiv fielen die Halbjahreszahlen der deutschen Firmen Solarworld und Sunways aus. Solarworld, die auf allen Wertschöpfungsstufen vom Silizium bis zur Solarstromanlage präsent ist, konnte den Umsatz auf gut 90 Millionen Euro mehr als verdoppeln. Der Gewinn nach Steuern belief sich auf fünf Millionen Euro, nachdem im Vorjahreszeiraum noch ein Verlust von 3,5 Millionen verbucht worden war. Analystenschätzungen zufolge soll sich der Nettogewinn von Solarworld bei deutlich steigenden Umsätzen 2005 im Vergleich zu 2004 von geschätzten 70 Cent auf 1,50 Euro pro Aktie mehr als verdoppeln. Damit ist die Aktie trotz des 2005er KGVs von 47 ein klarer Kauf. Auch Solarzellen-Produzent Sunways hat die Gewinnschwelle überschritten, wenn auch nur knapp. Der Konzernüberschuß belief sich zum Halbjahr auf 0,6 Millionen Euro (Vorjahr minus 1,3 Millionen). Da die Preise für Solarzellen aber zuletzt stark gefallen sind, ist Vollsortimenter Solarworld gegenüber dem Konkurrenten aus Konstanz im Vorteil. von Hans Sedlmaier Autor: SmartHouseMedia (© wallstreet:online AG / SmartHouse Media GmbH),09:31 22.08.2004 Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag